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Fakten zur Aufführung 

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)
20. Februar 2015
(Premiere am 4. Februar 2012)

Bayerische Staatsoper München


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Menschen-Geschichte

Noch vor dem Wagnerjahr lieferte der Theater- und mittlerweile etablierte Opernmann Andreas Kriegenburg seinen Münchner Ring ab, nachdem er am Haus bereits mit Wozzeck und kürzlich mit den Soldaten begeisterte. Der neue GMD Petrenko übernimmt diesen nun mit fast durchwegs neuer Besetzung und zeigt die enge Verbindung, die zwischen dem Ring und seiner Karriere besteht.

Diese überzeitliche und sehr ästhetische Fassung will eine Menschheitsgeschichte erzählen. Wie Wagner beginnt Kriegenburg bereits vor der Ouvertüre bei geöffnetem Vorhang mit einer in weiß gekleideten friedlichen Urmenge, die fröhlich picknickt. Irgendwann beschmieren sich die Statisten- und Tänzermengen mit blauer Farbe, versammeln sich und werden zu einer großen Wellenbewegung und mimen mit zuckenden und fließenden Bewegungen den Rhein, aus dem die Töchter sich erheben. Dazu hat sich der Figurenarbeiter Kriegenburg geschickt die Hilfe von Stammchoreografin Zenta Haerter geholt. Zusammen schaffen sie atemberaubende Tableaus, bei denen die Menschen die Burg Walhall, den Fluss und selbst Erdas lebendige Urhorde darstellen. Den engagierten Darstellern sind dabei die Freude und die gute Schulung im Tanz anzusehen. Durch Masse und Gleichklang zeichnen sie große Opernbilder. Dazwischen führt Kriegenburg seine Figuren genau. Fricka trägt dem Salonschleicher Wotan die Schuhe hinterher. Zur Herausgabe des Rings proben die Götter gemeinsam den Aufstand gegen ihren egomanen Granden und in Niebelheim entsteht ein faschistisches Unrechtssystem aus Sklaverei und Hinrichtung. Kriegenburg vermeidet dabei platte Anspielungen, sondern setzt auf metaphorische Bilder. Die leidige Notwendigkeit der Rieseninszenierung umgeht er etwa zusammen mit Stammbühnenbilder Harald B. Thor, indem er Fafner und Fasolt auf aus Menschen gepresste Würfel stellt, die vielseitig einsetzbar und bildlich stark alles aussagen, was diese Riesen im Verhältnis zu Menschen und Göttern ausmacht. Thors helle, leere Halle, die klappbar verschiedene Schiefebenen und Tiefen erzeugen kann, wird präzise bespielt und mit dem Menschentheater gefüllt. Kluge Regieeinfälle machen die Inszenierungsprobleme ganz einfach wett: Kommt es zur Verwandlung Alberichs, blenden Lichtmenschen das Publikum mit Scheinwerfern, bis die Kröte erscheint. Wotans Lanze wird durch Alberichs Jackenärmel gesteckt, um den Geschlagenen zu binden. Ein so einfaches Bild bleibt in Erinnerung und ermöglicht eine genaue und sinnvolle Personenregie, ohne dass Langeweile aufkommt oder die Handlung in Aktionismus umschlägt. Andrea Schraad kleidet das Ensemble in überzeitliche Abendgarderobe und Businessschick, wobei Loges leuchtend roter Anzug wahrlich hervorsticht.

Auf den Urfrieden folgen der Sündenfall und der Raub – hier eines goldenen Kindes. Die späten und rostenden Götter wehren sich dagegen fast halbherzig mit gestütztem Speer, während die Zwerge keine Skrupel kennen. Am Ende gehen die Götter auf einer wahrlich wackligen Brücke in ihr Schloss ein, was als weiteres Bild ganz klein und groß zugleich die Ring-Thematik abbildet.

Stark die Sänger, wobei Wotan noch nicht gekonnte Kraft zeigt. Trotzdem sind die wenigen Buhs für Thomas J. Mayer überzogen. Mit Problemen in der Tiefe dosiert er seine Kraft, punktet im Vokalischen und liefert einen müden, an der Macht gealterten Wotan ab. Für die fordernde Walküre wird er dennoch zulegen müssen. Weder Kraft noch Ausdauer gehen dem diabolischen Tomasz Konieczny aus. Wann hat man einen derart starken wie bösen Alberich gesehen? In dunkler Zottelmähne erfüllt er in seiner Fluchszene mit strahlendem, raumgreifendem Organ und guter Diktion den Saal. Ebenso sicher in Mittellage wie lodernder Höhe der wahrlich „amoralische Opportunist“ mit Burkhard Ulrich als Loge. Der Trickser tänzelt samt Gehstock durch Götter, Zwerge und Riesen, hat zur rechten Zeit den Dolch bei der Hand und singt, wie er spielt: Ironisch, entspannt und nuancenreich. Solide daneben im Götterreigen Levente Molnar als Donner und vor allem im lyrischen Abschluss schön der Froh von Dean Power sowie die klar artikulierte Fricka mit Elisabeth Kulman. Von der Rheintochter aufgestiegen, überzeugt Okka von der Damerau als ruhende Erda, die stimmlich vielschichtig ihre Weisung abgibt.

Dem wagnerwürdigen Ensemble bereitet Petrenko die Bühne. Mit Vorschusslorbeeren empfangen, zeigt er beim endlos unendlichen Vorspiel bereits sein Wagner-Verständnis. Der Mann hat seine Leitmotivvokabeln gelernt. Seit seinem Ring-Debüt 1999 begleitet und führt ihn die Tetralogie bis nach Bayreuth. Er differenziert den komplexen Beziehungszauber und scheut sich vor den tönenden Momenten nicht. Endlos könnte man seinem Walhallfinale zuhören, das er hinaufschwingt zu lauten und klaren Höhen. Wann hat man die Schmiedeambosse je so präzise klingen statt lärmen hören? Petrenko ist der Mann fürs Detail, der sich auch für die Bühnenmusik Zeit nimmt, saugt diesen Ring samt der Menschenwoge auf und präsentiert ihn im Dienst der Inszenierung. Gespannt darf man auf die Walküre sein, wenn er mit dem nichtmusikalischen Vorspielskandal umgehen muss.

Bis dahin Jubelströme des Wagner-Publikums und eine Menschenmenge im Fluss der Musik mit einem Lotsen am Pult, der zu weisen versteht.

Andreas M. Bräu

Fotos: Wilfried Hösl