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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
20. März 2015
(Premiere am 30. Juni 2012)

Bayerische Staatsoper München


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Zeit der Menschen

Im Rheingold noch gab es die weiß gekleideten Menschen aus einer urzeitlichen Idylle, in der Walküre brach Krieg unter den Menschen aus, im Siegfried kämpfte menschengemachte Natur mit Wurm und Neid. In der Götterdämmerung nun ist Kriegenburgs große Menschheitsgeschichte in der durchkapitalisierten Gegenwart angekommen. Die vormals aus Frauen gemachten Intimräume sind hölzernen Kammern gewichen. Die Natur wird in Schaukästen eingesperrt, und das Geld und der Gewinn regieren.

Im Auftrag der Staatsoper interpretierte Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in ihrem grandiosen Bühnen-Essay rein Gold den Ring als Kritik an Gier und Geld. Kriegenburg führt demgemäß sein überzeitliches und kluges Regiekonzept konsequent zu Ende. In einem modernen Loft regieren die kühlen Anzugträger Hagen und Gunther. Gutrune reitet skandalös kalkuliert auf einem goldenen Euro-Schaukelpferd, und der freie Held Siegfried steht hier als Außenseiter zwischen graugewandeten Menschen, die – ehemals ungezwungenes Volk – nun domestizierte Masse sind. Viel kleines und schönes Schauspiel wird hier inszeniert. Gunter golft sadistisch mithilfe seiner unzähligen Zimmermädchen, Alberich greift neidisch in die Zigarrenkiste, Hagen reinigt seine Tatwaffen von Fingerabdrücken, und die Hochzeit und Jagd wird zur modernen Orgie des Kapitals. Harald B. Thor stattet diesen Ring-Schluss als edles Geschäftsgebäude aus, wie sie zur Genüge in Opernnähe in München stehen. Der grandiose mehrstöckige Bau samt Bar und Arbeitsetagen lodert am Ende wahrlich als Weltenbrand. Eine Sensation dabei ist das kühle, helle Neonlicht von Stefan Bollinger.

Sensationell auch die Deutung. Der Held ohne Sündenfall wird vom Kapital und dem ewig lockenden Weib korrumpiert. Seine, Brünnhildes und der Götter Zeit ist lange vorbei. Fast im Nebenbei wird er von Hagen aus dem Weg geräumt. Ebenso geht es dem Schwächling Gunther. Brünnhilde verwaltet das Erbe und sieht ihr eigenes Ende voraus und ein. Der Rest ist Geschichte. Das letzte liebende Paar wird von den Flammen vereint. Das Kapital kollabiert, und das Finanzzentrum brennt.

Dann jedoch gelingt Kriegenburg ein letzter großer Wurf. Eine oftmals vergessene, tragische Figur, Gutrune, von Halbbruder verraten, Mann und Bruder tot, von der Liebe hintergangen und gescheitert, lässt Kriegenburg sie im Finale zusammenbrechen, während ihre Welt wahrlich in Flammen steht. Dann aber zum Erlösungsthema schweigen die Brände, die Bühne öffnet sich und die weißen Menschen der Urzeit aus dem Rheingold kommen in einem starken, rührenden Bild zurück und beginnen eine neue, bessere und menschlichere Zeit, in dem sie die gebrochene Gutrune umschließen und ein Zeichen setzen, das wohl selten so schön auf Wagners große Schlussthemen passte.

Damit ist ein ernster, schlüssiger und vor allem ästhetisch hochwertiger Ring gelungen, der fern platter Analogien Geschichten anhand großer Bilder und kluger Figurenregie erzählt.

Starkes kommt von den Sängerinnen und Sängern. Stephan Gould ist als Siegfried in der Form seines Lebens, der nicht zu hohe Tenor begeistert. Die Waldvogelerzählung wird zum stark geführten und dennoch leicht wirkenden Höhepunkt. Kraft, Modulation und Timbre stimmen und beglücken. Edel und sadistisch routiniert der Hagen von Hans-Peter König, der mit dröhnend dunklem Bass überzeugt. Eine Entdeckung ist die stimmgewaltige Waltraute von Okka von der Damerau, die nach allen Suzukis, Zofen und Wurzen ihre stimmliche Größe als Wagner-Interpretin endlich beweisen darf. Anna Gabler überzeugt mit klarem Sopran und großem Spiel sowohl als Norn wie auch als erotisch-sinnliche Gutrune. Spielerisch abstoßend und stimmlich sicher der tolle Alejandro Marco-Buhrmester als Gunter an ihrer Seite. Auf hohem Niveau polarisiert dagegen Petra Lang als Brünnhilde. Einige ärgerliche Texthänger stören ebenso wie die nicht immer sauberen Einsätze und die unklare Diktion, wobei sie sich bei ihrem amerikanischen Kollegen Gould einiges abschauen könnte. Lang hat lyrisches Potenzial, dosiert lang. Es gelingt das Finale ordentlich, doch kein Vergleich zu vergangenen Brünnhilden wie Nina Stemme. Diese fehlt spielerisch wie stimmlich, während Lang outriert und dieser schwer singbaren Partie noch nicht unbedingt gewachsen ist.

Famos dagegen schließt Kirill Petrenko trotz gesundheitlicher Einschränkung seinen ersten Münchner Ring. Mit Rückenproblemen stemmt er eine lange nachklingende Götterdämmerung. Leicht und spielerisch kommt die Rheinfahrt daher, sehr im Adagio der Beginn des Trauermarsches, dann jedoch tönt Wagnersches Pathos in Reinform, Gänsehaut entsteht im Finale und Petrenko lässt klar erkennen, was Erlösung musikalisch meinen kann. Das Münchner Publikum ist begeistert.

Langer Applaus und Jubelchöre.

Andreas M. Bräu

 

Fotos: Wilfried Hösl