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Fakten zur Aufführung 

DER LIEBESTRANK
(Gaetano Donizetti)
24. April 2015
(Premiere)

Hochschule für Musik und Tanz Köln

Points of Honor                      

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Die Studenten gewinnen

Eine Woche zuvor hat die Robert-Schumann-Hochschule mit Händels Alcina eine erstklassige Opernproduktion vorgelegt, in dieser Woche legt die Hochschule für Musik und Tanz Köln nach. Auf dem Programm steht der Liebestrank von Gaetano Donizetti – als opera buffa eine schwer zu inszenierende Oper, die allzu oft unterschätzt wird. „Da machen wir ein Feuerwerk“, hört man da im Vorfeld, um im Nachhinein eine Ansammlung von Albernheiten, Logikfehlern und Slapstick serviert zu bekommen. Von der Musikhochschule Köln hört man im Vorfeld nichts, auch im Programmheft gibt es keinen Hinweis auf den inszenatorischen Ansatz – stattdessen gibt es allzu Bekanntes über die Oper – und zu Beginn der Aufführung wird schnell klar, warum das so ist. Eine Idee, womöglich einen neuen Denkansatz lässt Regisseur Igor Folwill nicht erkennen. Die Personenführung ist so halbherzig wie die „Gags“. Das Bühnenbild von Wolfgang Fey und Folwill ist ein Guckkasten mit einem Balkon und einer wirklich miserablen Akustik. An den Wänden sind einzelne Wörter als Leuchtschriften angebracht. Im Hintergrund eine Theke, dahinter Bücherregale. Davor sind Tische und Stühle – zunächst wie in einer Schulklasse – untergebracht, die in ihrer Aufstellung von Szene zu Szene verändert werden. Auf der linken Seitenbühne ein Kaffeeautomat als – unnötige – Anspielstation, auf der rechten Seite wird ein Projektor herangefahren, der aber offenbar an diesem Abend nicht funktioniert. Neben den Auf- und Abgängen von Choristen und Statisten besteht die hauptsächliche Bewegung der Solisten darin, auf die Tische zu steigen, um von dort zu singen. Oder eben herabzusteigen oder zu -springen, um auf ebener Erde weiter zu singen. Ansonsten ist Rampe angesagt. Sorgsam und dramatisch zugespitzt, gar mit einem signifikanten Lichtwechsel, ist eigentlich nur eine Szene herausgearbeitet. Im zweiten Akt wird dem Sänger der Romanze regelrecht der Boden bereitet, und Una furtiva lagrima wird zum Höhepunkt der Inszenierung. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Bei den Kostümen beweist Angela C. Schuett „fröhliche Fantasie“. Warum Belcore – im Abendzettel völlig überflüssig unter der Überschrift Der Liebestrank als „Sergente di guarnigione nel villaggio“ angekündigt, „Sergeant“ hätte es auch getan – im Kilt, noch dazu mit einer Hose darunter, und einer Schirmmütze antritt, erschließt sich ebenso wenig wie der Umstand, dass er später als Torero ausgestattet wird. An derlei Ungereimtheiten leiden nahezu alle Kostüme. Da ist der Mechaniker-Overall von Nemorino noch am ehesten nachvollziehbar. Dass die Verantwortlichen, die Lehrer, also die, von denen die Studenten für die Zukunft lernen sollen, so offenkundig halbherzig und lustlos mit einer Aufführung umgehen, die eine beträchtliche Außenwirkung für die Hochschule entfaltet, ist nicht nur deshalb ärgerlich, sondern auch, weil sich das in der Musik fortsetzt. Dirigent Stephan E. Wehr findet nicht ansatzweise die Balance zwischen Orchester und Sängern, so dass die Stimmen über weite Strecken erbarmungslos im Orkan der Musik untergehen.

Dabei lassen es die Studenten nicht an Spiel- und Sangesfreude missen. Nina Koufochristou zeigt als Adina, was einer Studentin, selbst im fortgeschrittenen Semester, möglich ist. Obwohl sie ständig gegen den Tüll ihrer Kostüme ankämpft, lässt sie sich davon in ihrer sauberen Stimmführung kaum beirren. Als Nemorino gibt Siyabonga July Maqungo alles. Das Lampenfieber treibt ihm im ersten Akt ein unüberhörbares Näseln in die tenorale Stimme. Das bekommt er in den Griff, während er darstellerisch mehr gibt, als ihm die Regie erlaubt. Im zweiten Akt dann die Szene, für die ein Tenor als Nemorino lebt: Folwill schickt ihn, allein auf der Bühne, an die Rampe. Er hat also einen quasi konzertanten Auftritt, kann sich voll und ganz auf Una furtiva lagrima konzentrieren. Und es ist wunderbar, wenn man spürt, dass er sein ganzes Leben daran setzt, diese Romanze als Meisterstück abzuliefern. Bravo-Rufe und langanhaltender Szenenapplaus sagen zu Recht, dass es ihm gelungen ist. Garnisonskommandant Belcore zeigt letztlich ein schönes Herz, als er Nemorino aus der Soldatenschaft entlässt und auf Adina verzichtet. Bariton Peter Rembold zeigt sich in dieser Rolle souverän, wird in Zukunft sicher noch daran arbeiten, ein eigenes Profil zu entwickeln. Die Chancen stehen gut. Dem Quacksalber Dulcamara verleiht Frederik Schauhoff Gesicht und gelungene Gestalt. Ihn trifft die orchestrale Gewalt am meisten. Aber er lässt sich davon nicht beirren. Und das ist aller Ehren wert. Für viel Vergnügen sorgt Sopranistin Svenja Lehmann als Gianetta. Im Volumen eher noch ausbaufähig, begeistert sie ansonsten als Idealbesetzung. Chorleiter Horst Meinardus wirkt bei der persönlichen Begegnung im Treppenhaus eher knorrig, aber das hält ihn nicht davon ab, seinen Chor mit viel Spielfreude und Engagement auszustatten.

Vor nahezu gefülltem Saal finden sich schließlich Adina und Nemorino und beenden damit die Posse. Es gibt für alle Beteiligten Applaus und Bravo-Rufe, lediglich Wehr muss einige Buh-Rufe einstecken – und kommt damit gut weg. Er hat seine engagierten Musiker unter Wert verkauft. Während vor dem Vorhang der Applaus vergleichsweise schnell beendet ist, ertönt dahinter lauter Jubel. Und genau so stimmt die Relation.

Michael S. Zerban

 



Fotos: Christian Nielinger