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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER
VON NÜRNBERG

(Richard Wagner)
11. Juli 2015
(Premiere im Juli 2009)

Tiroler Festspiele Erl,
Passionsspielhaus


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Ewiger Disput zwischen Alt und Neu

Spätmittelalterlich anmutende Hosen- und Wamstkonfektion samt pompösen Halskrausen, abenteuerlichen Baretten und Kaufmannshüten: Die Kostüme von Lena Radecky beleben nicht nur das karg gehaltene Bühnenbild von Jaafar Chalabi, sondern sind auch zentraler Bestandteil der Inszenierung von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg in Erl. So werden sie im ständigen Disput zwischen Althergebrachtem und der Öffnung nach Neuem mit heutiger Straßenkleidung je nach dem Stand der Debatte gewechselt. Der erste, der sie sich vom Leibe reißt, ist Walter von Stolzing. Er ist der erste Revoluzzer. Auch Hans Sachs trägt seine alte Kluft meist nur überm Arm. Auf der Festwiese, wenn Walter sein Preislied anstimmt, reißen sich überhaupt alle ihre altertümlichen Kostüme vom Leib und werfen sie weg: Die Zukunft braucht keine Altlasten. Sachs ist auch ein Poet ganz ohne Schuhwerk, das vom Publikum rein metaphorisch zu sehen ist. Im Gegensatz zum vortäglichen Tristan ist diesmal viel mehr Vitalität zu spüren.

Wie gewohnt im Passionsspielhaus befindet sich das immer präsente, steil ansteigende Festspielorchester im Hintergrund hinter einem matt golden leuchtenden Schleier. Das Orchester auf der Bühne ist eine Idee, die schon Richard Wagner hatte. Hier ist sie jedoch aus der Not geboren, denn das Passionsspielhaus war nie als Opernhaus konzipiert und verfügt über keinen Graben. Unter Gustav Kuhn, wie gewohnt in Personalunion auch sein eigener Regisseur, wird diesmal in ausbalancierter Dynamik zu den Sängern, bemüht um kammermusikalische Transparenz und Präzision, musiziert. Bei Beckmessers Ständchen sitzt eine attraktive Harfenistin rechts auf der Bühne, während eine feuerrot gewandete Trommlerin dem Hans Sachs die Leistenschläge abnimmt.

Diesmal sind im Gegensatz zu Tristan und Isolde vom Vortag die Sänger viel hörbarer und wortdeutlicher zu verstehen: Ferdinand von Bothmer ist aber trotzdem ein viel zu lyrischer Walther von Stolzing mit einem für diese Partie viel zu kleinen Tenor. Innig phrasierend, mädchenhaft und mit glockenreiner Höhe hört man die Eva der Joo-Anne Bitter. Große Bühnenpräsenz weist Michael Kupfer-Radecky auf, er ist darstellerisch ein zutiefst menschlicher Hans Sachs. Mit seinem weichen und warmen Timbre singt er die Monsterpartie wunderbar und teilt sich auch die Kraft taktisch klug für seine wichtigsten Momente ein, so dass er auch am Schluss noch genügend Kraftreserven aufweist. James Roser ist eine Idealbesetzung für den Beckmesser. Scharf und schneidend spielt und singt er die Rolle und ist mit beachtlichen Höhen ausgestattet. Iurie Ciobanu ist ein wunderbar lyrischer David mit herrlichen Kantilenen. Anna Lucia Nardi ist eine ausgezeichnete Magdalena. Auch alle kleineren Rollen sind angemessen und ohne Makel besetzt. Hervorstechend Michael Mrosek, der schon am Vortag als Kurwenal zu erleben war, als kraftvoller Fritz Kothner, und der Veit Pogner des Giovanni Battista Parodi.

Phänomenal stimmgewaltig, wie vom Komponisten gewünscht, ist die Chorakademie der Tiroler Festspiele zu hören.

Viel Jubel, uneingeschränkt und ohne Widerspruch für alle, aber in Erl werden ohnedies keine großartigen Neudeutungen erwartet.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Xiomara Bender