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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
10. Juli 2015
(Premiere im Juli 2006)

Tiroler Festspiele Erl


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Klein-Bayreuth lässt grüßen

Drei mächtige Segel markieren das Schiff, dessen Mannschaft kraftvoll aus dem Inneren singt. Viel braucht es nicht in Erl, um die Stationen der Liebeskranken anzuzeigen. Denn Tristan und Isolde von Richard Wagner, den Nachtgeweihten und Traumverlorenen, gehört die ganze Weite der Szene. Im sparsamen Bühnenbild von Ina Reuter sieht man noch mächtige Treppen, zwei Holzbänke, eine für Auftritte genützte Unterbühne und ein beleuchtetes Holzpodest für das Liebesduett, während die Welt rundherum im Dunkeln versinkt. Und man erlebt wenig Bewegung und Personenführung, meist Statik oder Geschreite. Der künstlerische Leiter der Tiroler Festspiele, Gustav Kuhn, der auch für die Inszenierung verantwortlich zeichnet, gelingt es bei der Deutung eines der größten Liebesdramen der Weltliteratur nicht immer, die inneren Seelenzustände und tiefen Gefühle der Protagonisten zu vermitteln. Sie tragen die Biedermeiergarderobe von Lena Radecky und erinnern an den Ursprung des Dramas in Zürich zwischen Wagner und Mathilde Wesendonck. Dabei wirken sie wie Wartende, eingeengt in Konventionen. Aber eine große Neudeutung erwartet man hier in Erl ohnedies nicht.

Neu an dieser Wiederaufnahme des Liebesdramas bei den Tiroler Festspielen aus dem Jahr 2006 ist, dass man es vom Passionsspielhaus ins Festspielhaus transferiert hat. Neu ist auch, dass man den Orchestergraben nach Bayreuther Manier teilweise zugedeckt hat. Das bringt aber bei weitem nicht die erhoffte akustische Dämpfung. Zudem macht es Gustav Kuhn am Pult des jung und riesig besetzten Orchesters der Festspiele den Sängern nicht leicht. In seiner durchaus packenden, klangschönen, nuancen- und farbenreichen, aber recht flotten Lesart der Partitur drohen so manche Sänger bei den Forte-Stellen in den Klangmassen immer wieder unterzugehen, was auch auf Kosten der Verständlichkeit geht. Wichtiger als die neu eingeführten englischen wären wohl deutsche Übertitel gewesen. Es ist aber zeitweise auch ein Drama der leisen Töne, der großen Bögen und der kammermusikalischen Intimität. Besonders berührend ist auch, wenn der Englischhorn-Solist während seiner traurigen Weise über die Bühne wandelt. Nur manchmal fehlt es etwas an Raffinement und Transparenz.

Davor agieren die Sänger der Accademia di Montegral, die in der von Kuhn begründeten, gleichnamigen Kunstakademie in einem Kloster in Lucca ihren Feinschliff erhalten: Beinahe uneingeschränkt hörbar ist Mona Somm. Sie gestaltet die irische Maid mit großem Volumen und innigen Piani, leuchtenden Tönen in der Höhe, im Schlussgesang etwas verhaucht. Gianluca Zampieri singt die mörderische Partie des Tristan mit jugendlich-heldischem Klang, und alle lyrischen wie auch fiebernden zerrissenen Passagen mit selbstzerstörerischer Expressivität. Er vermittelt jedoch szenisch kaum emotionalen Ausdruck. Franz Hawlata ist ein wortdeutlicher, präsenter Marke mit dunklem Volumen, Michael Mrosek  ein exzellenter Kurwenal, Hermine Haselböck eine durchschlagskräftige Brangäne, etwas scharf in der Höhe. Wolfram Wittekind ist ein solider Melot.

Großer, uneingeschränkter Jubel herrscht zum Finale, besonders auch für das jugendlich besetzte Orchester, dass als wunderbare Geste auf der Bühne erscheint.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Xiomara Bender