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Fakten zur Aufführung 

TO BREAK
- THE WINDOW OF OPPORTUNITY

(Frank & Robbert)
29. Mai 2015
(Gastspiel)

Tanzhaus NRW


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Kreative Fragen helfen weiter

Vom 27. Mai bis zum 3. Juni findet in Düsseldorf Westwind, das 31. Theatertreffen NRW für junges Publikum, statt. Zeit für viele schöne, interessante, abgefahrene oder vielleicht auch unangenehme Aufführungen. Zeit aber auch, Fragen zu stellen. Gibt es ein Theater für Kinder und Jugendliche, und brauchen wir solch ein Zielgruppentheater? Und wenn ja, wie muss das aussehen: pädagogisch wertvoll, muss man sich ranschmeißen an die „unbekannte Zielgruppe“, ihre Sprache oder womöglich ganz neue Formate finden? Auch die Festivalmacher haben keine letztlich befriedigenden Antworten, berufen sich gern auf hohe Besucherzahlen, bieten aber den Dialog an.

Vor dem Gespräch steht die beredte Sprachlosigkeit. Ein Stück für Besucher ab acht Jahren steht im Tanzhaus NRW auf dem Programm. Und da ist sie schon, die nächste Frage. Wieso ab acht? Frank & Robbert/Robbert & Frank ist ein Performance-Duo aus Belgien, das ein Programm für Kino-Gänger oder zumindest Kinomusik-Kenner präsentiert. Im Wilden Westen sollte man sich zudem auskennen. Muss man nicht, aber es hilft, eine wunderbare Aufführung besser zu verstehen. Ab acht Jahren? Der Titel des Stücks TO BREAK – the window of opportunity ist wohl eher für achtjährige Kinder geeignet, die seit den Tagen der Kindertagesstätte eine bilinguale Erziehung genossen haben. Zu durchbrechen – das Fenster der Gelegenheit: Auch im Deutschen bietet die etwas spröde Überschrift wenig Erklärungsansatz. Den liefern Frank Merkx und Robbert Goyvaerts in ihrem Stück, ohne ein Wort zu verlieren.

Ein leerer Bühnenraum, in dessen Hintergrund eine Rollgardine eine Prärielandschaft darstellt. Die beiden Protagonisten betreten die Bühne und beginnen ein absurdes Spiel. Immer neue Requisiten werden auf die Bühne geholt, aus denen schier Unglaubliches entsteht. Dazu hat Koenraad Vandersyppe bekannte Filmmusiken bearbeitet, gerade mal so, dass man sie noch erkennt. Bei Once upon a Time von Ennio Morricone aus Spiel mir das Lied vom Tod wird ein Leiterwagen mit einem skelettierten Rinderschädel auf die Bühne geschoben. Aus diesem entwickelt sich eine Leiter, die schließlich zu einer Richtstätte mutiert. Immer wieder enden schier sinnlos scheinende Aktionen in absurden Lösungen. Unvergleichlich, wie aus dem Requisitenwagen so lange Sperrholz-Bäumchen gezaubert werden, nachdem ein Gebirge aus einem Schauspieler und einem darüber geworfenen Tuch entstanden ist, bis endlich ein Modellauto zu den Klängen von Fallin‘ aus Twin Peaks über die Bühne geschoben wird. Ein Baumstamm wird mit farbigen Holzstücken behängt – dabei ertönt I see Fire aus The Hobbit in Versatzstücken – ehe er sich aufgestellt als Marterpfahl entpuppt. Plötzlich wird aus der Richtstätte, an der ein hölzerner Hocker gehenkt wird, die Plattform für ein Häuschen mit Tanne im Garten. Dazu gibt es ein wenig Theaternebel und Dean Martins Let it snow. Zum Schluss wird eine Eisenbahntrasse aus Pappkartons gebaut, auf der Merkx und Goyvaerts zum Klassiker I’m a Train herumstapfen. Binnen einer Stunde verzaubern zwei Darsteller mit einer Mimik, die eher an Autisten erinnert, die Zuschauer mit einer Mischung aus Poesie und Fantasie, mit einer scheinbar aus dem Nichts entstehenden Kreativität, die man so vielleicht noch nicht erlebt hat. Achtjährige Kinder werden hier mit Sicherheit nicht die Hälfte verstehen, aber für hundert Jahre bezaubert sein. Und den Erwachsenen im nahezu vollbesetzten großen Saal wird es nicht viel anders gehen, außer dass sie die zahlreichen Zitate zumindest teilweise verstehen.

Nach einer solchen Schau der unerwarteten Entgleisungen und überraschenden Entwicklungen sind die enthusiasmierten Zuschauer bereit, sich bei einem Bürger-Dinner oder Burger-Dinner Fragen zur Entwicklung des Theaters zu stellen. Dazu haben sich die Veranstalter ein für das Westwind-Festival neues Format einfallen lassen. Im Foyer des Tanzhauses versammeln sich fremde Menschen an den Tischen, lassen sich „politisch korrekte“ Burger servieren und diskutieren darüber, ob es Antworten auf die eingangs gestellten Fragen gibt. Damit die Diskussion nicht zum Geschwätz wird, sorgt Kulturjournalist Stefan Keim mit einer Kollegin für die Moderation. Ob daraus etwas wird, was über den Abend hinausreicht, wird die Zukunft zeigen.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Phile Deprez