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Vielfalt statt Alter

Nach 30 Jahren kehrt Westwind – Theatertreffen NRW für junges Publikum zum zweiten Mal zurück nach Düsseldorf. Ende Mai bis Anfang Juni werden zehn ausgewählte Produktionen von freien Gruppen oder Theatern aus Nordrhein-Westfalen gezeigt, begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm. Zum ersten Mal wird das Festival als Kooperation von Jungem Schauspielhaus, Forum Freies Theater und dem Tanzhaus NRW durchgeführt. Nicht die einzige Änderung.

Nach unserer Reise durch die Region sind wir der Meinung, dass die Kinder- und Jugendtheater-Szene in NRW sehr vielfältig und stark in Bewegung ist. Von ihr gehen mitunter sehr deutliche Impulse aus, die auf die Entwicklung von zeitgenössischem Theater generell Einfluss haben und haben werden“, fasst Christof Seeger-Zurmühlen, Künstlerischer Leiter des Jungen Schauspielhauses in Düsseldorf, seine Eindrücke während der Bewerbungsphase zusammen. Gemeinsam mit Takao Baba, Johanna-Yasirra Kluhs und Judith Weißenborn hat Seeger-Zurmühlen im vergangenen Jahr aus 40 Bewerbungen zehn Produktionen ausgewählt, die an dem Festival Westwind – Theatertreffen NRW für junges Publikum, das in diesem Jahr von Ende Mai bis Anfang Juni in Düsseldorf stattfindet, teilnehmen dürfen. Bewerben konnten sich die freien Gruppen und Theater, die Mitglied im Arbeitskreis der Kinder- und Jugendtheater NRW sind. 40 von rund 70 Mitgliedern haben die Chance ergriffen. „Wir möchten im Rahmen des Festivals den Fokus auf zehn Inszenierungen lenken. Dies aber nicht im Sinne einer Leistungsschau, sondern tatsächlich als Spiegelung der disziplinären Vielseitigkeit der gesamten Szene. Für die Auswahl war es uns wichtig, inwieweit eine Idee konsequent gedacht und dann auch umgesetzt ist und dadurch zu einer künstlerischen Arbeit in sich wird“, gibt Seeger-Zurmühlen die Richtung vor.

Erstmalig wird Westwind von gleich drei Institutionen ausgerichtet. Das Junge Schauspielhaus, das Forum Freies Theater (FFT) und das Tanzhaus NRW zeigen damit auch organisatorisch, wofür das Festival stehen soll: Vielfalt als oberstes Prinzip. „Es freut mich, dass Westwind nach 30 Jahren wieder an die Stätte zurückkehrt, wo alles begonnen hat. Und das Besondere dieses Festivals ist sicher, dass es sich nicht auf ein Haus konzentriert, sondern dass hier drei Häuser eng miteinander zusammenarbeiten, dass auch ein Netzwerk entstanden ist und dass an verschiedenen Orten was läuft“, sagt Marianne Schirge, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Düsseldorf. Spielstätten des Festivals sind das Junge Schauspielhaus, das Central – eine Studiobühne am Hauptbahnhof – die FFT Kammerspiele, das FFT Juta und das Tanzhaus NRW. Hauptspielstätte wird das Tanzhaus sein. Für Mijke Harmsen als Dramaturgin am Jungen Tanzhaus ist das „eher eine natürliche Entwicklung“. „Weil wir gemerkt haben, dass Tanz in den letzten Jahren eine immer wichtigere Rolle im Kinder- und Jugendtheater gespielt hat. Und wir uns da natürlich als Kompetenzzentrum sehen“, sagt sie. Die Festivalleitung obliegt allen drei Institutionen auf Augenhöhe. Das unterstreicht auch Lisa Zehetner, die als Dramaturgin am FFT für die Koordination von Kinder- und Jugendtheater zuständig ist. Sie weist auf den Bewusstseinswandel hin, an dem im Bereich Kinder- und Jugendtheater gearbeitet wird und der auch Westwind durchdringen soll. „Was für Ästhetiken, was für politische Ansätze und Möglichkeiten wollen wir eigentlich hier in Düsseldorf präsentieren? Das ist was, was wir komplett mit eindenken für den Kinder- und Jugendbereich. Das heißt, wir sind eigentlich keine eigene Sparte oder Ähnliches, sondern wir denken das als ein Gesamtprogramm für ein ganzheitliches Publikum.“

Kinder- und Jugendtheater wird erwachsen

„Die ganze Grundauffassung, wie Kinder- und Jugendtheater integriert werden kann in das Erwachsenentheater, in den Normalspielplan, wie vom Normalspielplan Rückwirkungen auf das Kinder- und Jugendtheater sind und vom Kinder- und Jugendtheater kreative Linien direkt zum Schauspielhaus gehen, das ist die Veränderung. Und die ist, wie ich finde, eine sehr positive. Und die versuchen wir auch weiter voranzutreiben“, erklärt Günther Beelitz, Generalintendant am Düsseldorfer Schauspielhaus und einstiger Mitbegründer des Westwind-Festivals. Theater für Kinder und Jugendliche soll sich also emanzipieren – weg von der niedlichen Tochter vom „richtigen“ Theater hin zur Institution auf Augenhöhe. „Dass Kinder- und Jugendtheater nicht mehr wegdenkbar ist aus der Kulturpolitik, das ist vielleicht der größte Erfolg. Man hat immer wieder gedroht, dann machen wir das Kinder- und Jugendtheater zu. Das sind Scharmützel gewesen. Man hat schnell festgestellt, welche extrem wichtige Funktion insbesondere mit dem immer stärkeren Wegfall der schulischen ästhetischen Bildung dem Theater – sowohl dem Erwachsenentheater wie dem jugendlichen Theater – zukommt“, verweist Beelitz auf die kulturpolitische Komponente. Für die Festivalmacher bedeutet das vor allem eine Sichtweise auf das Festival als Arbeitstreffen. „In vielen Gruppen und Häusern herrscht ein selbstbewusster Geist vom intensiven künstlerischen Suchen nach Theaterformen und vom Fragen, mit welchen Mitteln man heute Theater machen soll und überhaupt Geschichten erzählen kann“, sekundiert Seeger-Zurmühlen. Das Publikum, so ist von den Verantwortlichen zu hören, hat den Schritt zur Gleichberechtigung längst vollzogen. Da sitzen bei „Jugendtheaterproduktionen“ Zuschauerinnen und Zuschauer jeglichen Alters, die sich mehr für die zu verhandelnden Themen interessieren als dafür, ob sie zu einer „Zielgruppe“ gehören. Folgerichtig fragen sich auch die Theatermacher immer häufiger, was sich für weiterführende Wechselwirkungen ergeben, wenn Altersangaben und Zuschreibungen aufgelöst werden. Gerade im umfangreichen Rahmenprogramm von Westwind wird sich beispielsweise beim „Burger-Dinner“ sicher die Möglichkeit ergeben, solche Fragen ebenso wie die nach der Partizipation, also der Teilhabe des Publikums an der Aufführung, ausreichend zu diskutieren.

Das Publikum nimmt aktiv teil

Einbringen können sich die Besucherinnen und Besucher des Festivals bereits in vielfältiger Weise. Da wird es neben Experimentierwerkstätten für Kinder und Jugendliche so genannte Festivalreporter geben. Man kann sich als Mitglied einer Patengruppe der Ensembles, die zum Festival eingeladen werden, engagieren oder als Teilnehmer an der Publikumsjury „von 8 bis 88 Jahren“ bewerben. Kulturamtsleiterin Schirge betont die überregionale Wirkung, die das Festival mit all seiner Vielfalt haben wird. „Wichtig ist, dass innovative, gute Produktionen für junges Publikum hier nach Düsseldorf kommen. Und dass interessierte Besucher sich ein Bild davon machen können, über das, was sich entwickelt hat. Dass es Anregungen für all die Menschen gibt, die sich professionell in diesem Bereich engagieren. Es ist auch eine Plattform für einen internationalen Austausch: Es sind internationale Gastspiele da. Und es fördert den Nachwuchs.“

Gleich fünf internationale Gastspiele aus den Benelux-Staaten und Asien sind zusätzlich zu den Wettbewerbsensembles eingeladen. Eine Produktion ist gar eine Kooperation aus Norwegen, Großbritannien und der Tschechischen Republik. Daneben sind auch noch drei Hausproduktionen der Festivaltheater vorgesehen. Ein Blick auf das Gesamtprogramm verrät, welches Potenzial aus der Zusammenarbeit der drei Institutionen erwächst. An sieben Tagen sind die Bühnen von morgens bis abends belegt. Am Ende steht die Preisverleihung. Bis zu drei der Ensembles werden mit dem Prädikat „herausragend“ ausgezeichnet und erhalten Preisgelder. Auch die Publikumsjury wird die ihrer Meinung nach beste Produktion auszeichnen. Der Gewinner allerdings steht jetzt schon fest: Mit Westwind, dem 31. Theatertreffen NRW für junges Publikum, wird dem Kinder- und Jugendtheater die Aufmerksamkeit zuteil, die es in den Köpfen der Beteiligten längst hat. Es ist so bedeutsam wie die „erwachsenen“ Institutionen auch. Daraus werden neue Aufgaben erwachsen.

Michael S. Zerban, 11.3.2015

 


Kinder- und Jugendtheater wird
erwachsen. Herrliches Beispiel ist Leider
deutsch
, bei dem Ali eigentlich Albert
heißt. Westwind startet durch.


Der Prozess ist ein Klassiker von Franz
Kafka, der aber auch jungen Leuten in
neuer Deutung durchaus was sagen
kann.

Auch Gastspiele aus dem Ausland wie
beispielsweise Bastard bereichern das
Festival Westwind.


Aus 40 Bewerbungen wurden zehn
Ensembles ausgewählt und zum
Festival eingeladen. Höchstens ein
Drittel wird am Ende das Prädikat
„herausragend“ tragen.


Chalk about - Jugendliche kreiden
Bemerkenswertes an, und die Welt will
es sehen. Altersgrenzen sind beim
Kinder- und Jugendtheater längst
überwunden.