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Fakten zur Aufführung 

TAKLAMAKAN
(Dorothee Oberlinger)
16. September 2015
(Uraufführung)

Düsseldorf-Festival, Johanneskirche


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Reiseberichte aus der Kirche

Das Düsseldorf-Festival ist in vollem Gange. Als feste Spielstätte hat sich inzwischen die Johanneskirche im Herzen der Stadt mit exquisiten und ausgefallenen Aufführungen etabliert. Viel beachtet war die Uraufführung der Oper Abraham im vergangenen Jahr. Auch in diesem Jahr findet eine Uraufführung in der Kirche statt – weniger aufwändig, aber nicht weniger künstlerisch wertvoll.

Die Überraschung des Abends: In der Kirche bleiben jede Menge Sitzplätze frei. Und das, obwohl Dorothee Oberlinger auf dem Programmzettel steht. Irgendjemand hat sie mal als „Königin der Blockflöte“ bezeichnet. Möglich, dass der Titel der Aufführung Taklamakan – Paradiese aus Luft irritiert. Manchmal muss man einfach über einen solchen Titel hinwegsehen oder, positiv ausgedrückt, mehr Neugierde auf das Fremde entwickeln.

Oberlinger, die unter anderem auch als Professorin am Mozarteum in Salzburg arbeitet und die Arolser Festspiele leitet, hat ihr 2002 gegründetes, eigenes Ensemble 1700 und das Ensemble Sarband mitgebracht. Und so findet sich im Altarraum der Johanneskirche nicht nur eine Runde illustrer Musiker, sondern auch eine Ansammlung ungewöhnlicher Instrumente reisefertig. Die Reise führt durch verschiedene Dimensionen. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, von Venedig bis nach China, vom Okzident zum Orient der unterschiedlichen Kulturen.

Dankenswerterweise wird der Besucher mit der Vielzahl von Ansprüchen nicht allein gelassen. Vladimir Ivanoff begleitet das Publikum mit kurzen, launigen Moderationen nicht nur auf der musikalischen Reise, sondern erklärt nach der Pause auch die Instrumente.

Allein mit der Reise hapert es ein wenig. Da gibt es ein paar Bocksprünge zwischen Venedig und Istanbul, bevor es auf den Balkan, wieder in die Türkei, schließlich nach Armenien und nach China geht. Auch in die Wüste – eben Taklamakan – geht es. Aber wen interessiert das bei der Qualität der Musik?

Die spielt sich auf oberstem Niveau ab. Zuvörderst, weil Oberlinger keine Königin ist, sondern die Meisterin eines unterschätzten Instruments, die mit überragender Virtuosität in einem großartigen Team spielt. Von der Piccolo-Flöte bis zur Sub-Bass-Flöte, einem eigenartig aussehenden Instrument, von dem die Musikerin beteuert, es stamme nicht aus dem Bausatz einer schwedischen Möbelfirma, wechselt sie spielerisch zwischen einer ganzen Auswahl von Flöten, die sie alle gleichermaßen selbstverständlich in Perfektion beherrscht. Ebenso leichtfüßig im besten Sinne präsentieren sich Marco Testori am Barockcello und Johanna Seitz an der Tripel-Harfe.

Als hätten sie nie etwas anderes in ihrem Leben getan, ergänzen die Musiker vom Ensemble Sarband die Runde. Ivanoff moderiert nicht nur gekonnt, sondern zeigt auch sein Können an verschiedenen Rahmentrommeln. An der Schoßfiedel, der Politiki Lira, begeistert Stratis Psaradellis, der auch für den Programmablauf des Abends zuständig ist. Uǧur İşık beherrscht die Ajaklı Keman, ebenfalls eine Art von Cello, in Perfektion. Am Psalter und der Nei überzeugt schließlich Cellaleddin Biçer.

Das Programm variiert von mittelalterlicher Melodie bis zu zeitgenössischer Musik, die gar Platz für gelungene Improvisationen bietet. Von Vivaldi bis Blank. In der Zugabe eines Gute-Nacht-Liedes gibt es gleich gar vokale Elemente.

Nach zwei kurzweiligen Stunden ist das Publikum, das nach jeder Zäsur applaudiert, zwiespältig. Während die einen nicht schnell genug wegkommen können, klatschen die anderen frenetisch und können nicht genug bekommen. Die Musik des Abends zeigt, wie leicht verschiedene Kulturen harmonieren können – wenn man es nur will.

Michael S. Zerban