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Fakten zur Aufführung 

ARABELLA
(Richard Strauss)
18. September 2015
(Premiere)

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf


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Satire statt Komödie

Die Aufgabe des Regisseurs ist, einen Stoff zu verstehen, ihn zu durchdringen, bislang möglicherweise nicht erfasste Denkansätze zu formulieren und das Ergebnis seiner Arbeit in einer Form auf die Bühne zu bringen, die das Publikum in einer Weise berührt, die es bislang nicht kannte. Das ist ein hoher Anspruch, den nicht viele Regisseure im Musiktheater einlösen können. Klappt es bisweilen noch in der Theorie, ist das dann in hehren Worten im Programmheft nachzulesen – und der Zuschauer staunt, weil er das alles so gar nicht auf der Bühne gesehen oder das Gesehene so nicht verstanden hat. Viel häufiger also klemmt es bei der Umsetzung von der Theorie in die Praxis. Und das führt dann zu der Massenware, die wir immer häufiger auf den Bühnen geboten bekommen.

Tatjana Gürbaca gilt als erfahrene Regisseurin mit einem breiten Repertoire, war 2013 „Regisseurin des Jahres“ und von 2011 bis zum vergangenen Jahr Operndirektorin in Mainz. 2009 inszenierte sie Salome an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg – und polarisierte. Jetzt eröffnet sie die Spielzeit in Düsseldorf mit einer Neuinszenierung der Arabella. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, weil dramatische und Dialogelemente immer wieder die eigentliche Feierlaune des Stücks überlagern.

„Die Drehtür dreht sich, schwingt, schwingt, schwingt …“ schrieb Vicki Baum 1929 in Menschen im Hotel. Für Gürbaca das Moment, das sie für ihre Einstudierung aufgreift. Sie lässt Henrik Ahr eine reduzierte Guckkastenbühne auf der Bühne ganz in weiß bauen, die im Wesentlichen aus zwei Drehtüren besteht. Zwei Stühle ergänzen die Ausstattung. Eine dermaßen starke Reduktion ist mutig, muss sie doch durch Kostüme oder eine überaus starke Personenführung kompensiert werden. Für die Kostüme zeichnet Silke Willrett verantwortlich. Und enttäuscht. Warum Strickware, die auch noch zur Selbstgeißelung von Zdenko dienen muss, zum Verständnis der Figuren beiträgt, weiß vermutlich allein Willrett. Eine Arabella, die sich als Barbie in pink präsentiert, ehe sie am Ende in Trauer vulgo einem schwarzen, hochgeschlossenen Kleid in die doch eigentlich glückliche Zukunft schreitet – auch das wird sich allein der Kostümbildnerin erschließen. Ansonsten lässt sie ihrer Fantasie freien Lauf; ein Lauf, der dem Publikum neben der Buntheit einer Feiergesellschaft verborgen bleibt. Und während die Drehtüren sich weitgehend unmotiviert weiter bewegen, wartet das Auditorium auf die Personenführung. Die nimmt nahezu satirische Züge an. Wenn Oper sich über Oper lustig macht: so darf man etliche Szenen berechtigt überschreiben. Wenn die Rampe als wichtigster Aufenthaltsort entsteht, unechte Abgänge zur Regel werden oder Mandryka immer wieder verzweifelt die verschiedenen Punkte einer weißen Wand anstarrt. Die „Orgie“, in der das Regelwerk überzogener Moralvorstellungen in das Rauschhafte umkippt, ist so gestaltet, dass man sie auch ohne Schwierigkeiten im Kindergarten zeigen kann, ja, auch dann, wenn sich Männlein und Weiblein in Zweier- und Dreiergruppen, lesbisch, schwul und hetero begatten. Das ist so aufregend wie ein Alka-Seltzer im Wasserglas. Dass sich das Ende an der Rampe gestaltet wie der endlose Zug an einem alten, festgeklebten Kaugummi auf dem erhitzten Asphalt einer Bundesstraße im Sommer, ist dann nur noch logische Konsequenz.

Eine solche Inszenierung kann man sich nur leisten, wenn man über Sängerinnen und Sänger verfügt, die ihre Stimmen in überdurchschnittlicher Qualität zum Einsatz bringen. Und damit kann die Rheinoper punkten. Jacquelyn Wagner glänzt als Arabella in allen Tonlagen ohne Schwierigkeiten. Ein Genuss! Susan McLean beherrscht die Adelaide. Und Anja-Nina Bahrmann gefällt ausgesprochen gut in ihrer anfänglichen Hosenrolle als Zdenko, aus dem dann später Zdenka wird. Simon Neal behauptet sich überwältigend als Mandryka gegen das Orchester. Wie inzwischen gewohnt, gefällt Corby Welch ausnehmend gut in der Rolle des Matteo. Die Diskrepanz im Alter von Arabellas Vater und dessen künftigem Schwiegersohn nimmt man gerne hin, weil man so die Leistungen von Thorsten Grümbel als Graf Waldner erleben darf. Mit expressiven Koloraturen begeistert Elena Sancho Pereg, die auch schauspielerisch die Sonderrolle der Fiaker-Milli erfrischend im Griff hat. Auch in den übrigen Rollen gibt es sowohl schauspielerisch als auch sängerisch nur Erfreuliches zu berichten.

Ganz im Gegensatz zur Musik. Seiner Biographie zufolge debütiert Kapellmeister Lukas Beikircher mit dieser Arabella-Aufführung. Und ist damit überfordert. Das Gefühl für Strauss fehlt ebenso wie die Balance zwischen Bühne und Graben. Gnadenlos werden die nach Kräften laut agierenden Sängerinnen und Sänger von der Musik völlig überflüssig überdeckt. Fair ist zu erwähnen, dass so mancher Dirigent die Möglichkeiten des neuen Grabens und der verbesserten Akustik im Düsseldorfer Opernhaus unterschätzt. Aber mit dieser Vehemenz und fehlenden Differenzierung hat man es doch selten erlebt.

Ausnahmsweise teilt das Publikum die Auffassung des Kritikers. Selten hat man in der jüngeren Vergangenheit so viel überzeugte Buh-Rufe für die musikalische und inszenatorische Leistung erlebt, während das Personal auf der Bühne förmlich mit Bravo-Rufen überschüttet wird.

Michael S. Zerban

 





Fotos: Hans Jörg Michel