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Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss)
1. November 2012
(Premiere am 19. September 2009)

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf


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Gesellschaftskritischer Splatter

Bei der Premiere vor drei Jahren wurden vor allem Äußerlichkeiten diskutiert. Was bleibt davon bei der Wiederaufnahme, die jetzt in Düsseldorf an einem Feiertag stattfindet, der der Heiligen der katholischen Kirche und der Toten gedenkt? Tatjana Gürbaca, amtierende Operndirektorin in Mainz, sieht vor allem zwei strategische Ansätze für ihre Inszenierung. Einerseits ist es das Familiendrama, andererseits aber sieht sie vor allem die gesellschaftliche Relevanz der Salome. In einem verkrusteten Regierungssystem, das nicht zugeben will, dass es sich selbst überholt hat, und im Stillstand verharrt, erscheint ein Heilsverkünder, der schnell unter Verschluss genommen wird. Salome, Repräsentantin einer neuen Generation, begehrt gegen die bestehenden Verhältnisse auf. Die gute Nachricht: Der Prinzessin gelingt es, die Strukturen aufzubrechen. Die schlechte: Sie zerbricht daran. Gürbacas Sichtweise ist radikal. Wenn die nachfolgenden Generationen sich erheben, wird es blutig, es wird unzählige Opfer geben und es werden keine Gewinner aus dem Aufstand hervorgehen.

Ein klaustrophobisch enger Bühnenraum, der ein Gemisch aus Wohn- und Schlafzimmer darstellt, repräsentiert die gesellschaftliche Enge, in der sich die einzelnen Schichten nicht aufeinander zu bewegen, sondern in drangvoller Nähe nebeneinander her vegetieren. Klaus Grünberg hat eine weiße Zimmerdecke eingezogen, auf der sein Licht wechselnd für die richtige Atmosphäre sorgt. Jochanaan ist im Keller eingesperrt und spricht über die Heizung zu den Menschen. Na ja. Silke Willrett greift bei den Kostümen auf gegenwärtige, typisierende Bekleidung zurück und verdeutlicht so den aktuellen gesellschaftlichen Bezug. Es wird viel gemordet in der kurzen Zeit. Wenn aber gemeuchelt und gemetzelt werden soll, dann ist vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, mit Schnitzereien und Gepiekse Blutbeutel aufzustechen. Das ist unprofessionell und wirkt grotesk-albern. Eine der größten Kritiken an Gürbacas Inszenierung war bei der Premiere, dass sie den Tanz der Salome durch Theater im Theater ersetzt hat, dass die Familiengeschichte Herodes‘ erzählen soll. Das funktioniert auch jetzt ebensowenig wie der verspätete Einsatz von Jochanaans abgetrenntem Kopf, der hier nicht in einer Silberschüssel, sondern als blutverkrustetes Laken präsentiert wird. In Ermangelung des Kopfes muss die Salome die übrigen Leichen ansingen, was einer gewissen Absurdität nicht entbehrt.

Wenn schon Splatter, dann auch richtig, möchte man der Regisseurin zurufen. Es bleibt aber bei Pieksen und Kitzeln, um die Akteure vom Leben zum Tode zu befördern. Sex findet nicht statt. Erotik erst recht nicht. Stattdessen darf man sich an der Erscheinung einer Morenike Fadayomi erfreuen, die die Salome züchtig bedeckt, aber schauspielerisch über die Maßen gelungen verkörpert. Gesanglich begibt sie sich an ihre Grenzen – im ständigen Kampf gegen die Lautstärke des Orchesters. Wolfgang Schmidt brilliert als Herodes, Susan Maclean bleibt in der Rolle der Herodias gesanglich wie darstellerisch eher farblos. Sarah Ferede spielt als Page einem gut aufgelegten Ovidiu Purcel zu, ehe der sich als Narraboth das Leben nimmt. Altmännerfantasien muss Luiza Fatyol als Sklave im Serviermädchenkostüm auf Stöckelschuhen bedienen. Warum eigentlich? Das übrige Personal bedient die Protagonisten mit ordentlichen Leistungen.

Die Düsseldorfer Symphoniker spielen sich laut und flott durch die Partitur. In erster Linie bilden sie damit einen Klangteppich für die Handlung, ohne groß Rücksicht auf die SängerdarstellerInnen zu nehmen. Georg Fritzsch verzichtet als Musikalischer Leiter auf großartige Differenzierungen.

An diesem Abend trifft Gesellschaftskritik in Splatteroptik auf ein überwiegend älteres Publikum, das sich eher mit Arztbesuchen denn mit gesellschaftlichen Umstürzen beschäftigt. Der Beifall fällt entsprechend flach aus, schwillt nur kurz an, wenn Fadayomi und Schmidt vorstellig werden. Anstatt aus dem Palast vertrieben und später zur Heiligen zu werden, nimmt sich Gürbacas Salome am Ende das Leben. Das regt aber dann auch keinen mehr besonders auf.

Michael S. Zerban

Fotos der Premiere: Hans Jörg Michel