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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
24. September 2009
(Premiere: 18. September 2009)

Stadttheater Minden


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Kammerspiel – voll orchestriert

Zunächst einmal: Es ist hochgradig bewundernswert, dass der Richard-Wagner-Verband Minden mit der Nordwestdeutschen Philharmonie und dem Stadttheater Minden Wagners Werke im historischen Theater Minden initiiert – und die Qualität dieser Produktionen keinen Vergleich scheuen muss! Außerdem: Vom 18. September bis zum 10. Oktober gibt es zehn ausverkaufte Vorstellungen!
In diesem Jahr Lohengrin in der Regie von John Dew.
Nach seinen provozierend pointierten Inszenierungen 1991 in Bielefeld und 2001 in Karlsruhe mit dem handelnden politischen Personal der Kaiserzeit entwickelt er in Minden ein eher unaufgeregtes Kammerspiel: eindeutig skizzierte Charaktere stehen gegeneinander – die verfolgte Unschuld, der gute König, der edle Ritter, die böse Zauberin, der rabiate Kraftmeier. John Dew stellt sie wie märchenhafte Archetypen auf die leere Bühne, konfrontiert Leidenschaften, lässt Gefühle zu intensivem Bühnenhandeln werden. Am Ende überleben Elsa und Ortrud: Zwei Frauenbilder existieren weiter – der Antagonismus von Hilfe suchender Liebe und mysteriöser Zerstörungskraft.
Heinz Balthes variiert die räumlichen Möglichkeiten der Mindener Bühne, platziert das Orchester auf der Bühne – dahinter den Chor - schafft auf dem überdeckten Orchestergraben eine extrem publikumsnahe Spielfläche, trennt Szene und Orchester mit einem gobelinartigen transparenten Vorhang mit einem Neuschwanstein-Symbol: einem gekrönten aktiven Schwan.
Optisch überzeugend – Jose-Manuel Vazquez’ mittelalterlich stilisierte Kostüme von dekorativ-imaginierender Raffinesse!
Orchester und Ensemble haben ihre Feuertaufe in der Fischer-Halle in Hamm (siehe opernnetz-Rezension hier) bestanden – müssen nun mit diesem kleinen Raum fertig werden. Das bedeutet für die Sänger: intensive Nähe zum Publikum, Orchester im Rücken, Akustik eines Mini-Opernhauses. Anna Gabler setzt als leidend-verzweifelte Elsa mit ihrem gefühlvollen Sopran lyrische Akzente, überzeugt mit kontrollierter Emotionalität. John Charles Pierce wirkt wie ein Siegfried aus Fritz-Lang-Filmen, demonstriert sein intensives Timbre, kann sich aus lyrischen Passagen zu heldentenoralen Aufschwüngen steigern – vermittelt dabei permanent ambivalente Emotion. Andreas Hörl ist ein König Heinrich mit überwältigend-kraftvollem Bass-Bariton und beeindruckender Ausdruckskraft. Heiko Trinsinger gibt dem Telramund aggressive Statur, setzt seine mächtige Stimme fulminant ein, wird zum autistischen Kämpfer gegen das Establishment, abhängig von den Einflüsterungen der Ortrud. Ruth-Maria Nicolay verkörpert die böse Zauberin mit starkem Ausdruck, setzt ihre markant-durchsetzungsfähige Stimme nachhaltig ein, gibt mit kalkulierten Schärfen und kantigen Höhen rollengerechte Stimulantien. Christoph Burdack bleibt als Heerrufer die zuverlässige Funktion des moderierenden Ankündigers.
Auf der Bühne musiziert die vollbesetzte Nordwestdeutsche Philharmonie, ein Orchester mit kultiviertem Zusammenspiel. Frank Beermann dirigiert sehr konzentriert, fördert das Orchester zu einem basierenden Streicherklang, entwickelt animierende Tempi – versteuert sich aber in den krachenden Forte-Passagen, ignoriert die akustischen Möglichkeiten des kleinen Hauses und vernachlässigt die Differenzierung der Instrumentengruppen: „Das Knallen und Krachen und Dröhnen und Schmettern war unglaublich“ – Mark Twain 1878. Der voluminöse Chor der Nationaloper Sofia (Leitung: Violeta Dimitrova) orientiert sich bei aller Präzision mit gefühlvollen Piano-Lyrismen und überwältigenden Forte-Tutti am Orchester-Konzept.
Im intimen Mindener Theater versammelt sich ein erlebnis-offenes Publikum, verfolgt das Geschehen mit gespannter Aufmerksamkeit – einige Huster wirken störend – und entpuppt sich als Mischung lokaler Kulturszene und angereister Wagner-Freunde. Begeisterte Zustimmung am Schluss!

Franz R. Stuke