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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
5. September 2009

Alfred-Fischer-Halle Hamm
KlassikSommer 2009 Hamm


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Das Opernwunder in Hamm

Da stimmt alles – das Ambiente der riesigen ehemaligen Maschinenhalle der Zeche Sachsen in Hamm-Heessen mit großartiger Akustik, ein erwartungsvoll-gespanntes Publikum, ein perfektes Ensemble, ein grandioser Chor, ein hinreißendes Orchester ! Und es entsteht „der Klang“ – zauberhafte Konsonanz von Musik, Gesang und Atmosphäre!
En Detail: John Charles Pierce gibt dem Lohengrin mit seinem klar artikulierenden Tenor reflektierende Statur, präsentiert einen „Helden“ mit bewegenden Zwischentönen, beeindruckt mit strahlenden Höhen und emotionalisierender Phrasierungskunst.
Anna Gabler singt die Elsa mit jugendlicher Frische, steigert Ängste und Zweifel mit bewegender Intensität zu radikalem Widerstand gegen die Zumutung des Frage-Verbots – stimmlich apart mit grandiosen Steigerungen. Hermine May gelingt als Ortrud eine Glanzpartie „persuasiven“ Singens: Sie vermittelt den emotionalen Druck der Königstochter, überzeugt durch intensiven Nachdruck und differenzierende Töne: ein ambivalenter Charakter, souverän sängerisch profiliert – allerdings in der Schlussszene rätselhafterweise nicht präsent. Heiko Trinsinger singt mit hinreißender Stimmkraft einen gespaltenen Telramund – absolut stimmsicher in der Mittellage, brillant in den behauptenden Forte-Passagen, ausgewogen in den geforderten Höhen; ein Renegat mit allen Zweifeln und sensibler stimmlicher Interpretation. Andreas Hörl überzeugt als stimm-mächtiger König, gibt dem Heinrich enorme reflektierende Kraft und präsentiert eine ausgesprochen durchsetzungsfähige baritonale Stimme. Christoph Burdacks Heerrufer wird zum alarmierenden Ankünder der Konflikte, ist stimmlich ebenbürtig mit den „großen“ Rollen! Beglückend und für das Hamm-Faszinosum bestimmend: Die Übereinstimmung der stimmlichen Grundstrukturen in Timbre, Artikulation und Intensität.
Frank Beermann leitet die hoch motivierte Nordwestdeutsche Philharmonie zu ungemein emotionalem Spiel, realisiert die Ideal-Vorstellung, dass die Musik Geschichten erzählt, dass Motive bestimmend sind für das Verstehen des Wagner-Konzepts. Dazu steigert sich das Orchester zu einem differenzierten Zusammenspiel der perfekt intonierenden Instrumentengruppen und erzeugt den Zauber „des Klangs“ mit spannungssteigernden Generalpausen, kalkulierten Tempo-Wechseln und faszinierender Dynamik zum musikalischen Duktus einer hoch spannenden Geschichte. Akustisch wird das orchestral-opulente Zusammenspiel im großformatigen Raum zum grandiosen Hör-Erlebnis! Es schließt sich der hermetisch-artifizielle Raum.
Der 70-köpfige Chor der Oper Leipzig ist ein Musterfall kollektiven Singens: da hört jeder auf den anderen, Individualitäten werden zu einem bravourösen Ganzen, „der Klang“ ist in allen Passagen animierend präsent.
Mittlerweile ist das Geheimnis des Nicht-Erscheinens der Ortrud im 3. Akt, 3. Szene geklärt: es gab da Backstage kommunikative Abstimmungsprobleme, die zu dem Aussetzer führten. Frank Beermann überspielte die Absenz mit viel Sensibilität – glücklicherweise wurde die „Partiturfassung“ gespielt, so dass der Argumentationsfluss musikalisch durchgehalten werden konnte. Für die Beteiligten wird dieser faux pas wohl lebenslang Thema bleiben – so wie der frühzeitig abgefahrene Schwan für Leo Slezak.
In der nicht gerade durch kulturelle Highlights renommierten Ruhr-Stadt Hamm sind die konzertanten Wagner-Opern in dem Industrie-Denkmal zum Ritual geworden. Es kommen viele Neugierige, es kommen erfahrene Wagner-Freaks - und was Anno 2009 zu hören ist, provoziert die Frage „Bayreuth – so what?“ Da entsteht ein Zentrum „neuer“ Wagner-Aktualität.

Franz R. Stuke