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Fakten zur Aufführung 

LA PORTA DELLA LEGGE
(Salvatore Sciarrino)
23. Juli 2009
(Premiere: 18. Juli 2009)

Nationaltheater Mannheim


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Die Tür zum Niemandsland

Der Vergleich mit dem Seziermesser liegt nahe angesichts der bohrenden Insistenz, mit der Salvatore Sciarrino in seinem neuen Werk La porta delle legge Mensch und Befindlichkeit, Text und Klang dekonstruiert. Im Mai in Wuppertal uraufgeführt (opernnetz-Besprechung hier), übernimmt jetzt das Nationaltheater Mannheim das Dreipersonenstück, dessen Libretto der Komponist nach Kafkas berühmter Parabel „Vor dem Gesetz“ verfasst hat. Ein enervierender Pulsschlag scheint Raum und Zeit aufzuheben, die zu einem bedrohlichen Punkt der Selbstzerstörung gerinnen. Denn die Pforte führt nicht zum Gesetz, sondern ins Niemandsland einer monomanen Hoffnung, die zwangsläufig sterben muss. Weil der Mensch, der hier Einlass begehrt und vom Wächter zurückgewiesen, gleichwohl auch vertröstet und dadurch vereinnahmt wird, an sich selbst scheitert. An der Mutlosigkeit, das scheinbar Unumstößliche zu durchdringen, denn eigentlich ist das „Recht“ kein Abstraktum, sondern allen zugänglich. Sciarrino sieht denn auch sehr konkrete politische Bezüge zu seinem Heimatland Italien, dessen Gesellschaft an der Bürokratie erstickt. Doch der Stillstand entsteht auch durch die Passivität der Bürger; eine Abwärtsspirale, die kaum aufhaltbar scheint.

Dieser Zeitbezug wird in der subtilen, wenn auch eher eindimensionalen Regie von Johannes Weigand im klaren Bühnenbild von Jürgen Lier – eine schmale Türöffnung verbreitert sich sukzessive zum lichtvollen Nichts - in raffinierter Einfachheit deutlich. Suggestiv wird der Betrachter auch über die diskret choreographierten Bewegungen gefangen genommen. „Gleichsam ein kreisender Monolog“ ist der Untertitel dieses musiktheatralischen Werks, in dem Sciarrino die Beziehung des Einlass Begehrenden zum Wächter zweimal ablaufen lässt, zuerst mit dem Bariton Ekkehard Abele, dann mit dem Countertenor Gerson Sales. Außerordentlich spannungsgeladen, von stetig steigender Abhängigkeit begleitet, entwickelt sich ein Kraftfeld, in dem „Der Mann“ untergehen muss. Denn die unsichtbare Wand, die „Der Türhüter“ aufbaut, den der Bassist Michael Tews mit unterschwelligem Drohpotenzial und leiser Vertröstung perfekt ausbalanciert, bleibt unüberwindbar. Weil sich der Mensch nicht überwinden kann, indem er sich am Un-Gesetz, das als Gesetz firmiert, abarbeitet.

Das Nationaltheaterorchester setzte unter Leitung von Tito Ceccherini die flirrenden, gleichsam um sich selbst kreisenden musikalischen Formeln perfekt um. Die autonome Musik des eigenwilligen Komponisten hat suggestive Substanz und gehört zum wertvollsten, was zeitgenössisch angeboten wird.

Eckhard Britsch

 




 
Fotos: Michael Hörnschemeyer