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Fakten zur Aufführung 

LA PORTA DELLA LEGGE
(Salvatore Sciarrino)
25. April 2009 (Uraufführung)

Wuppertaler Bühnen


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Der Machtapparat

Salvatore Sciarrino – der so sensible Erfinder subtiler Klanglaboratorien – leidet an der kulturfeindlichen Situation seines Landes. Kafkas Text „Vor dem Gesetz“ handelt von der Inhumanität des hermetischen Machtapparats. Sciarrinos jüngstes Werk adaptiert dieses literarische Dokument einer absurden Absonderung mit allem Zynismus der Sprache Berlusconis. Doch es gelingt ein archetypisches Bild heutiger Lebenssituationen – Vereinsamung, Hilflosigkeit, endlich Lähmung. Im Duktus kontrastierenden prononzierten Sprechgesangs wird das existenzbedrohende Potential brutal-abweisender Kommunikation deutlich. Musikalisch bestimmt ein komplexes Rauschen den filigranen Klangraum, versetzt mit ostinaten Trommel-Tönen, tonlosen Holzbläsern - aber auch mit fast renitenten Blech-Einschüben: die vage Hoffnung auf Widerstand scheint auf.

Hilary Griffiths interpretiert diesen geheimnisvoll-eindeutigen Klang-Kosmos und dem Bestehen auf dem stimulierenden Impetus der Stille, aus dem aller Klang entspringt, mit dem Sinfonieorchester Wuppertal sehr inspiriert, hoch konzentriert und in spieltechnischer Perfektion.

Jürgen Lier baut eine Riesen-Wand, sie öffnet sich zu heller Rückwand – verengt sich im zweiten Durchlauf zur undurchdringlichen Sperre, auf der die gnadenlos Abgefertigten am Ende in unendlichen vielen Paternostern auf und abfahren; das Video von Jakob Creutzburg ist die faszinierende Pointe der totalen Anklage gegen die seelenlose Inhumanität – ein aufregender coup de theatre als Schlusspunkt eines radikalen Szenarios.

Johannes Weigands „Minimal“-Regie korrespondiert mit konzentriertem Klang und imaginierender Bühne mit steigerndem Effekt: kontrollierte choreografische Intensität, kalkulierte Pantomime, reduzierte Gestik interpretieren den kafkaesken Stimulus obsessiver Tyrannei.

Michael Tews gibt den Türhüter mit stoischer Gnadenlosigkeit, setzt seine sonore Stimme mit stupender Ausdrucksstärke ein und artikuliert den seelenlosen Apparatschik mit konsequenter Stimmführung. Ekkehard Abele ist der erste Mann, der zum Gesetz vordringen will, drückt dies lebenslange vergebliche Warten ungemein intensiv aus, agiert hingebungsvoll und gibt seiner Stimme variabel-entsagungsvollen Ton. Gerson Sales variiert mit seinem wundervoll klangvariablen Countertenor den zweiten vergeblichen Durchdringer zum „Gesetz“, gibt ihm Aggressivität, Persuasivität, Renitenz, aber auch scheiternde Dissonanzen, und überzeugt mit hinreißender Expressivität.

Komponist, Regisseur, Bühnenbildner, Orchester haben intensiv kooperiert; das Haus ist gut besucht, die Spannung ist groß, die inhaltliche Konzentration, das Eingehen auf die musikalischen Varianten ergreift das Premieren-Publikum: ungeteilter Respekt für ingeniöse Musik und kongeniale Performance bestimmt den intensiv-langanhaltenden Schluss-Applaus. Bleibt zu hoffen, dass ein eher konventionell orientiertes Publikum in Wuppertal diese großartige Innovation durch massenhaften Besuch honoriert! (frs)

 




 
Fotos: Michael Hörnschemeyer