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Fakten zur Aufführung 

SEMELE
(Georg Friedrich Händel)
25. Mai 2008 (Premiere)

Aalto-Theater Essen


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Tödliche Liebe

„Händels einzige Operette“ – diese Worte stehen als Zitat von Dietrich Hilsdorf im Programmheft zur Semele-Inszenierung im Essener Aalto-Theater. Und ein Händel-Zitat: „Eine Oper in der Art eines Oratoriums“. Und – Zitat Nummer Drei – ein Urteil Charles Jennens’, der einer von Händels Librettisten war: „Kein Oratorium, sondern eine obszöne Oper“. Alle drei haben Recht.

Sicher ist „Semele“ ein Oratorium, aber eines, das absolut bühnentauglich ist. Meint Hilsdorf. Und nach knapp drei Stunden kommt auch das Premierenpublikum zu dieser Überzeugung. Erzählt wird die Geschichte von Semele, der Tochter des Königs Cadmus von Theben. Sie soll Athamas, den Prinzen von Boötien ehelichen, will aber nicht, weil sie in Jupiter verliebt ist – und er in sie!

Ein etwas sperriger Stoff, in seiner mythologischen Beschaffenheit kaum aktualisierbar. Deshalb müht sich Hilsdorf auch gar nicht damit ab, Tragik und Pathos auf die Bühne zu stellen. Er macht aus Semele, ihrer Schwester Ino und dem Prinzen Athamas menschliche Wesen, die ihr Liebesleben mit Intrigen, Schmeicheleien und Betrugsversuchen zu manipulieren trachten. Und die Götter? Die tun es ihnen gleich. Kein Wunder also, wenn man sich dabei die Finger verbrennt. Buchstäblich. Denn Semele ringt ihrem Jupiter das Versprechen ab, sich ihr umgehend im Vollbesitz seiner Göttlichkeit zu präsentieren. Jupiter sieht das Fatale voraus: wenn er mit Blitz und Donner auf Semele hernieder sinkt, bleibt von ihr nur ein Häufchen Asche. Und so kommt es denn auch. Und irgendwie beschleicht einen das Gefühl, die barocke Semele gerate verdächtig nahe an die Opera bouffe eines Jacques Offenbach.

Auf Dieter Richters drehbarer Bühne tanzt vor einem schwelenden Vulkan mal eine Festgesellschaft, mal das Liebespaar Jupiter und Semele. Renate Schmitzers barock gehaltene Kostüme sind eine überbordende Augenweide, die auf ihre eigene subtile Weise Beziehungen schaffen. Kammerspielartig legt Hilsdorf seine Regie an, setzt die changierenden Personenkonstellationen in griffige Bilder um und bewegt in den großen Chorszenen die Massen hoch virtuos, ja meisterhaft. Das kann dieser Regisseur perfekt. Aber er ändert auch nicht viel daran, dass die Handlung sich anfangs nur zäh entfaltet. Im zweiten Teil gewinnt das Ganze jedoch an Fahrt, bis zum pyromanen Ende.

Die Essener Inszenierung hatte, wie vermutlich auch in Händels Londoner Opernhaus, einen Star: Olga Pasichnyk wurde stürmisch bejubelt angesichts ihrer stupenden, an Leichtigkeit kaum zu überbietenden Koloraturen. Wie sie sich hineinsang in die Primadonnenrollen – ganz großartig. Auch Countertenor Franco Fagioli als der betrogene Bräutigam Athamas legte eine aberwitzige stimmliche Beweglichkeit an den Tag, erreichte mühelos höchste Höhen, zeigte Ausgewogenheit über allen Lagen hinweg. Uwe Stickert machte mit seinem feinen Tenor die allerbeste Figur als Herrscher des Olymps. Marcel Rosca ließ dank seines strömenden Basses keinen Zweifel an seiner Autorität als Cadmus, König von Theben. Marie-Helen Joël füllt ihre Rolle als Ino, die schnippige Schwester der Semele, mit großer Überzeugung aus.

Den Solisten zur Seite stand der von Alexander Eberle exquisit vorbereitete Chor, der zu Höchstform auflief. Am Pult der Essener Philharmoniker stand Dietrich Hilsdorfs Wunschdirigent Jos van Veldhoven. Eine gute Wahl, denn der niederländische Barockexperte weiß, wie Händels Musik spannungsvoll zum Leben erweckt werden kann. Gleichwohl: etwas mehr Brillanz hätte man sich schon gewünscht. Immerhin haben die Essener in früheren Barockopern gezeigt, dass sie in Sachen historischer Spielweise noch mehr drauf haben. Erinnert sei an Alessandro De Marchis Dirigat der Händel-Oper Orlando – oder an Andreas Spering mit Vivaldis Ottone .

Am Schluss großer Jubel. Das Publikum weiß eben nicht nur die „dicken Brocken“ von Puccini, Strauss, Verdi und Wagner in diesem Haus zu schätzen – sondern auch Barockes. Bravi für die Solisten, Bravi auch für das Regieteam. Dabei ist Dietrich Hilsdorf gerade in Essen doch anderes gewohnt.

Christoph Schulte im Walde