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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
20. September 2008 (WA)
(Premiere: 27. Januar 2007)

Aalto-Theater Essen


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Der Priester wird zum Narren (?)

Mozarts Don Giovanni ist eine Herausforderung für jeden Regisseur - und Stefan Herheim hatte sie in der letzten Spielzeit im Essener Aalto-Theater fulminant genutzt. (Opernnetz-Besprechung hier.) Die Inszenierung hat Furore gemacht und wurde jetzt wieder aufgenommen.

Herheims Don Giovanni treibt ausgerechnet in einer Kathedrale sein Unwesen. Der Libertin fungiert irgendwo zwischen Dämonenwesen, einem Bild entsprungenem Heiligen und dem Sexualtrieb des Priesters Leporello. Bei seinen Anfangszeilen, wo er sich über die Arbeit beschwert, für einen „der es nicht zu schätzen weiß“, fragt man sich unwillkürlich, welchen Arbeitgeber er denn jetzt meint. Nach Giovannis Höllenfahrt - einem Exorzismus, der erneut die Verbindung zwischen Leporello und Don Giovanni unterstreicht wie kaum je zuvor - sind es wieder die Übertitel, die provozieren, wenn Leporello singt: „Ich suche mir einen besseren Herrn“.

Herheim lässt in seiner Inszenierung einiges an Kirchenkritik mitschwingen, wird dabei aber nie beleidigend, sondern projiziert alles auf seinen gottlosen Verführer. Da schwingt viel Satire mit, wenn Leporello mit der Gottesmutter tanzt und im Kelch der Eiskonfekt serviert wird. Wirklich provokant wird es, wenn Leporello und Giovanni mit Weihrauch und Weihwasser die Gäste begrüßen: „Viva la liberta“ stellt man sich wohl anders vor. In der Pause, nach einem blendend inszenierten Finale, geht schnell die große Diskussion los. Eine kritische Stimme sei hier zitiert: „Die Champagnerarie hat er (Heiko Trinsinger) ja ordentlich gesungen, aber ich konnte einfach nicht klatschen, da er ja den Priester in einen Narren verwandelt hat“. Wenn man dieser Inszenierung etwas vorwerfen kann, dann ist es deren Vielschichtigkeit, die einen fast dazu zwingt, mehrmals diesen Don Giovanni anzusehen. Und da wären noch diese kleinen aber doch auffälligen Eingriffe in das Libretto von Da Ponte, die aber im Sinne der Inszenierung gestattet seien.

Herheims Inszenierung bietet übrigens mehr als nur Kritik und Satire, sondern lässt auch das Heitere, Menschliche im Drama aufblitzen, wenn sich Zerlina und Masetto in alter und junger Erscheinung auf der Bühne befinden. Dieses Spiel über die Zeitebenen hinweg funktioniert überraschend gut - und Herheim beendet es auch noch im ersten Akt, um es nicht zu übertreiben. Und es funktioniert vor allem, weil man mit Helen Donath und Marcel Rosca zwei Künstler auf der Bühne hat, die völlig uneitel mit dem Älterwerden kokettieren und dies gleichzeitig mit ihren Stimmen widerlegen. Gerade die Stimmkultur von Helen Donath dürfte manch jüngere Kollegin neidisch machen.

Bea Robein (Elvira) hat sie zum Beispiel nicht, auch wenn sie ihre Rolle sehr eindringlich gestaltet. Auch Andreas Hermann (Ottavio) hat man schon sicherer erlebt als in seinen Koloraturen von „Il mio tesoro“. Als Komtur fehlt es Michael Haag vor allem an Autorität für die entscheidende Szene. Alexandra Lubchansky betont bei ihrer Donna Anna ganz klar die (sehr schöne) lyrische Seite. Dramatische Aufschwünge bei „Or sai ch'il onore“ umschifft sie geschickt, da es ihr dafür einfach an Kraft mangelt. Überraschend gut auch der Leporello von Almas Svilpa, der sich in der Vorbereitung zum Rheingold-Wotan als subtiler Sänger mit vielen Zwischentönen präsentiert. Da darf man auf den jungen Göttervater wirklich gespannt sein. Passend zur Inszenierung steht mit Heiko Trinsinger ein dämonisch auftrumpfender Giovanni auf der Bühne, der aber auch Mezza Voce-Qualitäten in der Canzonetta unter Beweis stellen kann.

Schauspielerisch kann das Ensemble ohnehin durchweg überzeugen, da sich Herheims Konzept von der Premiere bis heute trotz einigem Personenwechsel sichtbar gehalten hat. Dagegen wirkt der Szenenwechsel mit den – zugegeben – doch sehr aufwändigen Umbauten nicht mehr ganz so sicher. Denn die fantastische Kathedrale von Thomas Schuster lebt im wahrsten Sinne des Wortes diesen Don Giovanni mit Drehbühne, helfenden Mönche und zum Leben erwachenden Statuen aus.

Aber der eigentliche Star des Abend sind die Essener Philharmoniker unter der wundervollen, sängerfreundlichen Leitung von Stefan Soltesz. Da funkelten alle Instrumentengruppen, dermaßen präsent hat man sogar einzelne Achtel-Noten bis oben auf den zweiten Rang selten gehört. In Essen wird der geradezu überirdische Klang Mozarts entfacht, vor dem sich am Ende sogar die Inszenierung selber verbeugt.

Christoph Broermann

 




Fotos: © Karl Forster