Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LA GRANDE MAGIA
(Manfred Trojahn)
13. Mai 2008
(Uraufführung: 10. Mai 2008)

Semperoper Dresden


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Eine Farce über Wirklichkeit und Illusion

Zwei Opernuraufführungen innerhalb von zwei Wochen - und beide haben ihren Richard Strauss offenbar gut gekannt, aber völlig unterschiedlich verarbeitet. Zunächst in Berlin die Jeanne d'Arc  von Walter Braunfels (allerdings 60 Jahre nach ihrer Komposition erst jetzt auf der Bühne), der die Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna mit großem Orchester und in der symphonischen Klangfülle der Spätromantik ins Werk setzte (vgl. die opernnetz-Rezension hier) - und nun ebenfalls mit deutlichem Bezug und Zitaten von Strauss, in allerdings ganz anderer Diktion, die vierte Oper von Manfred Trojahn, "La Grande Magia" (Der große Zauber) in Dresden.

Das Auftragswerk der Sächsischen Staatsoper in fünf Bildern frei nach Eduardo de Filippos gleichnamigem Schauspiel präsentiert sich als filigranes, kammermusikalisches Konversationsstück in der Tradition der Strauss'schen "Ariadne auf Naxos". Das kleine, von Bläsern und Schlagzeug dominierte Orchester wird differenziert und virtuos geführt. In kleinen Kostbarkeiten, wie einem längeren a cappella-Quintett, in dem die Sänger ihre immer wieder gleichen zwei Sätze ineinander verschränken, wird die Kunstfertigkeit und Kunstverliebtheit des 1949 geborenen Trojahn besonders hörbar. Arien im herkömmlichen Sinn finden sich kaum, in den gelegentlichen ariosen Passagen kann die Musik aber unter dem kompetenten und präzisen Dirigat von Jonathan Darlington regelrecht aufblühen. Etwas behindert wird das schöne Singen allenfalls durch die Textfülle des Librettos von Christian Martin Fuchs. Auch das ein Dutzend Solisten umfassende Ensemble macht es anfangs etwas schwer, den Durchblick durch die verwirrenden Bezüge der handlungsleitenden italienischen Großfamilie während ihres Badeurlaubs am Meer zu gewinnen. 

Marta, die ihre Sängerkarriere für ihren Mann Calogero aufgegeben hat, fühlt sich in der bürgerlich-häuslichen Ehe mit ihm eingezwängt und unfrei. Als nun der Zauberer Marvuglia auftritt, beginnt ein höchst unterhaltsames Spiel im Spiel mit tieferer Bedeutung. Wie auf der Varieté-Bühne werden Kaninchen aus dem leeren Zylinder und bunte Tücher aus dem Ärmel gezogen. Für ein Schäferstündchen lässt der Zauberer Marta in der Kiste verschwinden und den eifersüchtigen Augen ihres Ehemannes entkommen. Was aber nur ein Zaubertrick für einen Augenblick sein sollte, entwickelt sich zu einer Farce über Wirklichkeit und Illusion. Denn Marta kehrt nicht zurück, sie bleibt verschwunden. Und der Zauberer bekommt ein Problem. Das er dadurch löst, dass er Calogero eine Schatulle übergibt, von der er sagt, dass seine Frau Marta darin zu finden sei. Aber nur, wenn er die Schatulle im wahren Glauben an ihre Treue und Liebe öffne. Und Calogero hält sieben Jahre an der Illusion der Zauber-Schatulle fest. Er öffnet sie nicht, findet ein gewisses wirkliches Glück in der illusionistischen Vorstellung der in der Schatulle befindlichen idealen Marta. Als er es dann endlich doch wagt und das Kästchen öffnet, ist Marta tatsächlich da - aber er kann mit ihr nichts mehr anfangen , sie hat sich in den Jahren der Trennung von ihm entfernt. Realität und Illusion klaffen auseinander, sind nicht mehr zusammen zu bringen. In der beeindruckenden Schlussszene  (Regie: Albert Lang), in der Calogero klar wird, dass er alles verloren hat, gewinnt der große Zauber an der Semperoper in Dresden Beckettsche Endspielqualität. Mit dazu verhilft das klare, nüchterne Bühnenbild von Rosalie mit seinen von der Decke hängenden Mülltonnenketten und den blau-rot leuchtenden über mannsgroßen Ballons im Hintergrund, die zum Schluss zu zerplatzten Müllsäcken mutiert sind.

Das gesamte Sängerensemble mit der intriganten Mutter, dem nur auf seine Karriere bedachten Schwiegersohn und seiner gelangweilten Ehefrau, einer irre werdenden Cousine und weiteren Charaktertypen ist nicht nur erkennbar engagiert, sondern auch gekonnt am Werk. Herausragend dennoch Marlis Petersen als Marta, die ihre hohe Sopranpartie fulminant singt. Der Calogero von Rainer Trost überzeugt mit seinem hellen Tenor. Urban Malmberg weiß seinen dramatischen Bassbariton sowohl als realer Zauberer wie als weiser Zauber-Philosoph mit klarer Artikulation und Klangfülle einzusetzen.

Das Publikum in der zweiten Vorstellung, darunter viele jungen Gesichter, goutierte die neue Oper mit freundlichem Beifall. Dies gilt selbst für die erkennbar eher wegen des Hauses als wegen der Musik in die Vorstellung gekommenen Touristen. Trotz einer Uraufführung mussten sie ja auch keine wirklich modernen, gegenwartsnahen oder gar avantgardistischen Töne zur Kenntnis nehmen.

Axel Göritz

 






Fotos: Monika Rittershaus