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Fakten zur Aufführung 

GENOVEVA
(Robert Schumann)
6. Juni 2010
(Premiere: 29. Mai 2010)

Staatstheater Cottbus


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Psychologisches Kammerspiel

Eine neue deutsche Nationaloper wollte Robert Schumann mit seiner Genoveva schaffen. Doch schon bei der Uraufführung 1850 in Leipzig fiel das mittelalterliche Schauerstück um den Pfalzgrafen Siegfried und seine unter Untreue-Verdacht stehende junge Frau Genoveva gnadenlos durch und danach in die Versenkung der als unspielbar geltenden Bühnenwerke - bis vor zwei Jahren Nikolaus Harnoncourt und Martin Kušej in Zürich für eine fulminante Wiederentdeckung sorgten (opernnetz-Besprechung hier). Jetzt haben Intendant Martin Schüler und sein Generalmusikdirektor Evan Christ in Cottbus gezeigt, dass auch ein kleines Haus mit einem intelligenten, modernen Ansatz Genoveva zu einem spannenden und bewegenden Bühnenleben verhelfen kann. 

Fernab jeglichen Mittelalter-Dekors konzentriert sich die Inszenierung als zeitloses psychologisches Kammerspiel (in Kostümen der Uraufführungszeit) auf die Seelennöte der handelnden Figuren und darauf, wie die Gier nach Macht Menschen verletzen und schamlos ausnutzen kann. Die Grundkonstellation ist dabei relativ übersichtlich: Pfalzgraf Siegfried wird zum Kampf gegen die Mauren ins Feld gerufen und betraut den Ritter Golo mit dem Schutz seiner jungen Frau Genoveva. Doch Golo begehrt selbst die ihm Anvertraute und stürzt darüber in heftigste Gewissenskonflikte. Als ihn Genoveva abweist und als ehrlosen Bastard beschimpft, wandelt sich seine Liebe in rasenden Hass. Aufgehetzt von seiner Mutter Margaretha, die ihm Hoffnungen auf den Thron macht, setzen die beiden ein abgekartetes Intrigenspiel in Gang, um Genoveva der scheinbaren Untreue zu überführen. Mit Hilfe eines Zauberspiegels gelingt dies auch,  der gedemütigte Pfalzgraf  übergibt seine Frau den Meuchelmördern, im letzten Moment klärt sich alles auf, doch Genovevas Seele ist inzwischen so zerstört, dass sie nurmehr als überirdische Heilige weiter existieren kann.

Das Handlungsmotiv des Spiegels aufnehmend, wird die Drehbühne in Cottbus von einem Spiegel-Labyrinth beherrscht (Ausstattung: Gundula Martin), dessen bewegliche Teile mal spiegeln, mal durchsichtig sind, so dass jeder das sehen kann, was er sehen will. In diesem einerseits glasklar harten, durch stimmungsvolle Lichteffekte auch gemilderten flirrenden Vexierspiel des Beobachtens, Belauschens und Intrigierens gelingen der bemerkenswerten Personenregie höchst spannende, eindrucksvolle Bilder eines Psychodramas. Vom Mittelalter bleiben nur die eher pantomimisch geführten Schwerter, die sich ins Kreuz-Symbol verwandeln und das eindrucksvolle Schlussbild der im Gold-Lamé-Mantel gekleideten Genoveva, die zur Madonna-Ikone überhöht wird, weil als menschlich irdisches Wesen im Staat des Pfalzgrafen für sie kein Platz mehr ist.

Wenn Schumanns dramatische Musik mit ihren leidenschaftlichen Ensemble-Szenen, aber auch leichten, filigranen Passagen so gut musiziert wird wie in Cottbus unter der Stabführung von Evan Christ (mit etwas dünn klingenden hohen Streichern) ist das Schattendasein der Genoveva kaum zu begründen. Es fehlen zwar die großen dahinströmenden Melodiebögen, aber die Farbigkeit und Ausdrucksstärke der Komposition und die große, eindrucksvoll gesungen und gespielte Chorpartie (Einstudierung: Christian Möbius) machen dies allemal wieder wett.

Das hauseigene Solistenensemble überzeugte durch ein packendes, intensives Spiel. Gesine Forberger wusste als Genoveva die Wandlung von der naiv-koketten Ehefrau, die einem kleinen Flirt mit Golo nicht abgeneigt ist, über ihre Standhaftigkeit bis hin zur durch Folter gebrochenen Seele, die nur noch im Glauben Halt findet, mit großer Intensität zu gestalten, ebenso wie Jens Klaus Wilde dem zwischen Genoveva, seiner Mutter und Machtphantasien zerrissenen Ritter Golo starke Kontur verlieh. Stimmlich unausgeglichen waren beide bewährten Ensemblemitglieder in diesen Rollen an ihrer Grenze angelangt. Den Pfalzgrafen Siegfried spielte wegen Indisposition Andreas Jäpel nur, gesungen wurde er vom eingesprungenen Dresdener Bariton Johannes Wollrab, der mit bemerkenswert schönem Timbre und klarer Diktion auf sich aufmerksam machte. Der Macht-Furor von  Golos intriganter Mutter Margaretha kam in Spiel und Stimme beim Mezzosopran von Heidi Jütten voll zur Geltung. 

In der besuchten zweiten Vorstellung erhielten Solisten, Chor,  Dirigent und Orchester einhelligen längeren Beifall, Gesine Forberger und Johannes Wollrab konnten sich dazu über einige Bravi freuen.    

Axel Göritz






 
Fotos: Staatstheater Cottbus