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Fakten zur Aufführung 

GENOVEVA
(Robert Schumann)
17. Februar 2008 (Premiere)

Opernhaus Zürich


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Wachgeküsst

Ein Kuss spielt in Robert Schumanns einziger Oper Genoveva eine wichtige Rolle, und wie aus einem Dornröschenschlaf wollte auch Nikolaus Harnoncourt zusammen mit dem Regisseur Martin Kusej das Werk zu szenischem Leben erwecken, das ihm über Jahrzehnte verwehrt wurde. Banale Handlung, zu wenig ausgearbeitete Gesangsparts und Unmöglichkeit der szenischen Darstellung wurde Schumanns Oper von Kritikern vorgeworfen. Daher führte sie bislang ein Schattendasein.

Zu Unrecht, wie die Verantwortlichen in Zürich beweisen: Kusej zeigt im kalkweißen Zimmer umgeben von nachtschwarzer Außenwelt (Bühne: Rolf Glittenberg) ein bürgerliches Psychodrama um Liebe, Begierde, um Treue und Ehre, Pflicht und Glauben. Durch die Kostüme von Heidi Hackl vermeidet die Regie geschickt, in die Erzähl-Zeit der mittelalterlichen Sage um die treue Genoveva, ihren Gemahl Ritter Siegfried und den in Genoveva verliebten Ritter Golo zurückzufallen.

Kusej verlegt die Handlung in die Entstehungszeit der Oper: Dresden während des Mai-Aufstandes von 1848. Der Einfluss des politischen Geschehens auf Schumanns Arbeit wird so nachvollziehbar. Die Chorszenen zeigen das in den Kampf drängende Volk und später auch sein gewaltsames Eindringen in das vom Hausherrn verlassene Heim Genovevas. Die Lust auf einen Skandal treibt das Volk zum Lynchmord, den der eifersüchtige Golo eingefädelt hat.

Trotz der krassen Schwarz-Weiß-Kontraste gibt es kein eindeutiges Gut und Böse. Innerer und äußerer Konflikt werden gleichwertig zur Schau gestellt durch eine teilweise etwas manieriert puppenhafte Personenführung. Die Symbolisierung von bürgerlicher Enge und verdrängter Sinnlichkeit durch ein Handwaschbecken an der Wand und einen Gummikarpfen ist Geschmackssache. Die reiche Verwendung von Theaterblut und schwarzem Schlamm, mit denen die reine weiße Welt Genovevas besudelt wird, sind plakativ und in ihrer Wirkung irgendwie schon nicht mehr ganz neu.

Aber da ist ja auch noch die Musik, die mit großer Leidenschaft aufwartet. Mit Mut zum Risiko lässt Harnoncourt stellenweise die Trompeten- und Hörnerfanfaren aus dem zweiten Rang schmettern, der Chor erklingt häufig gedämpft von der Hinterbühne, entfaltet aber an der Rampe einen grandiosen Klang, wie auch das Orchester der Oper Zürich zusammen mit dem Solistenensemble vom volksliedhaft schlichten Ton bis zum großen romantischen Ausbruch alle Facetten zu bieten hat.

Juliane Banse ragt in der Titelpartie durch ihre subtilen Ausdrucksmittel sowohl szenisch als auch musikalisch heraus. Ihr dunkler Sopran klingt betörend in den lyrischen tieferen Passagen und ihre absolute Hingabe an die Rolle lassen weniger schöne Klänge in den höheren und dramatischen Passagen vergessen. Martin Gantner als kerniger Siegfried klingt stimmlich tadellos, wirkt aber etwas unterkühlt, und der Tenor Shawn Mathey ist trotz flexibler ausdrucksstarker Stimme noch leicht befangen in seiner Rolle als verzweifelt Liebender und ebenso intensiv hassender Urheber allen Unglücks. Mit Cornelia Kallisch als intrigierende Amme Margaretha gerät die Figur stimmlich etwas weit in das Charakterfach der bösen Alten, was von der Regie gar nicht so angelegt ist. Aufhorchen und genießen lassen Alfred Muff als verratener Drago und der junge Bassbariton Ruben Drole als Hidulfus mit präsenten großen Stimmen in Zürichs akustisch dankbarem Opernhaus.

Das Publikum bejubelte einhellig die musikalische Leistung und spaltete sich bei dem Regieteamin in zwei Lager, die sich lustvoll einige Vorhänge lang ihre Buhs und Bravos zuwarfen. Für jeden wird etwas geboten - was will die Oper mehr?

Ingrid Franz

 






Fotos: Opernhaus Zürich