Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

KOMMENTAR

Juli 2012


 


 

zurück       Leserbrief

Vom Versuch, neue Wege zu gehen

Der Südwestrundfunk hat sich überlegt, wie man Oper in neuen Formen multimedial präsentieren kann. Versuchsobjekt war Mozarts Don Giovanni in einer Inszenierung von Andrea Moses an der Stuttgarter Oper. Herausgekommen sind interessante Ansätze – und eine Menge Quatsch.

Schon im Vorfeld hatte der Südwestrundfunk (SWR) für sein multimediales Trommelfeuer kräftig die Werbetrommel gerührt. Die Live-Übertragung einer Oper auf möglichst vielen Kanälen, in möglichst vielen Facetten war geplant: Im Arte Live Web der Internetstream, bei 3sat die unkommentierte Fassung mit Untertiteln, im Park am See das so genannte Public Viewing und bei SWR 3 schließlich eine Version, in der Entertainer Harald Schmidt zusätzliche „Berichte“ lieferte. Die Stuttgarter Oper machte mit und öffnete bereitwillig (fast) alle Türen.

Der Versuch, Oper im Fernsehen attraktiv und für eine breitere Zielgruppe interessant darzustellen, darf getrost als überfällig angesehen werden. Und insofern ist aller Ehren wert, was der SWR da auf die Beine gestellt hat. Der Erfolg gibt dem Sender – zumindest für Stuttgart – Recht. Ausverkauftes Haus, beim Public Viewing kaum mehr ein Sitzplatz frei und das Publikum auf der anderen Seite des Teiches bekommt immerhin noch Klangfetzen mit. Die volksfestähnliche Stimmung wird gut eingefangen. Und ob nun Würstchen- und Getränkebuden vor der Oper der Würde des Hauses angemessen sind, mögen Abonnenten sicher anders beurteilen als das Publikum auf dem Rasen.

Ob der Umstand, dass es sich bei Mozarts Don Giovanni um ein dramma giocoso handelt, bei den Verantwortlichen für Assoziationen zu Komödianten geführt hat, kann nur erahnt werden. Gepasst hat es sicher nicht. Harald Schmidt verliert nicht ohne Grund eine Fernsehshow nach der anderen. Gewohnt schlecht vorbereitet, drückt er sich hinter der Bühne herum und belästigt die Mitarbeiter mit mäßig interessanten Fragen. Wild fuchtelt er mit dem Mikrofon herum und bedeutet damit nicht nur seinem Publikum, dass die Antworten eigentlich nicht so wichtig sind. Hauptsache, seine Fragen sind zu hören. Dämlich-süffisante Bemerkungen zum Freundeskreis und den Pausenvorbereitungen zeugen von äußerst mäßigen Kenntnissen von Oper und Aufführung. Vorsichtshalber bleibt Schmidt bei seinen Fragen dann auch ganz weit oben an der Oberfläche.

Als der Komiker sich während der Pause „unters Volk“ begibt, wird die Grenze des Erträglichen schnell erreicht. Es passt nicht zum weltoffenen Geist der Oper, dass der „Reporter“ sich vor der Tür über seine Interviewpartner lustig macht. Und es passt auch nicht, möglichst gelangweilt herumzustehen, während der Gesprächspartner antwortet. Nach der Pause geht es dann mit den Unterbrechungen der Aufführung, in denen Schmidt beispielsweise den Chor hinter den Kulissen befragt, weiter. Für Puristen ist das gar nichts, aber die gehen ja ohnehin in die Oper. Für den unkundigen Zuschauer taugt es auch nicht wirklich, weil der der Aufführung nicht folgen kann, und die Geschichte schon gut kennen müsste, um die Lücken assoziativ aufzufüllen.

Schmidt darf die Gunst der ersten Stunde nutzen. Da mögen dann noch Fragen angehen, was eigentlich eine Inspizientin im Theater macht oder ob Intendant Jossi Wieler tatsächlich oft die Aufführungen im eigenen Hause besucht. Auf Dauer trägt ein solches Konzept nicht. Ebensowenig überzeugt die Oper als Spektakel. Und so muss man nach der Aufführung einem schwachen Schmidt auch noch Recht geben, wenn er die Auffassung verkündet, wer Oper erleben wolle, müsse schon selbst hingehen.

Das aber war ja nicht Sinn der Sache. Trotzdem hat sich der Aufwand gelohnt. Hat er doch gezeigt, was geht und was vermeidbar ist. Und dieser Versuch wird vielleicht – und hoffentlich – zu einer ernsthaften Diskussion unter Fernsehschaffenden und ihren Zuschauern führen, wie man Oper im Fernsehen darstellen kann. Dass man das Genre damit einem breiteren Publikum zugänglich machen und so dem Kultursterben entgegenwirken kann, hat der Versuch jedenfalls gezeigt. Deshalb: Weiter so.

Michael S. Zerban, 26.7.2012

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Auf möglichst vielen Kanälen will der
SWR mit der Don-Giovanni-Aufführung
aus Stuttgart präsent sein, unter
anderem auch beim so genannten
Public Viewing.


Es reicht nicht, geschniegelt vor der
Kamera zu stehen oder zu sitzen. Das
hat Harald Schmidt in Stuttgart (wieder
einmal) bewiesen.


Andere Publika zu gewinnen, war unter
anderem Ziel dieses Versuchs. Da ist
das Public Viewing sicher ein guter
Zugang.


Letztlich ist auch das entfernte Ufer
dicht besetzt, obwohl hier die
Tonqualität nach Besucherangaben nur
noch mäßig ist.


Entspannt im Hier und Jetzt: Ob
Würstchen- und Bierbuden vor der
Oper statthaft sind, mag jeder für
sich selbst entscheiden.

Fotos: Opernnetz