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KOMMENTAR

August 2013


 


 

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Oper 3.0

Alexander Pereira hatte für die Salzburger Festspiele sinngemäß angekündigt, es gebe das Besondere, koste es, was es wolle. Und so gibt es zum ersten Mal in Österreich eine TV-Oper, die von dem österreichischen Kultursender Servus TV mit dem sympathischen Slogan „Wir wünschen Ihnen bessere Unterhaltung“ live zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird, für das weltweite Publikum auch gleich per Live-Stream im Internet. Beginnt hier eine neue Ära für die Oper?

Aus einem Flugzeughangar wird im Rahmen der Salzburger Festspiele live die Entführung aus dem Serail im Fernsehen und im Internet übertragen. Das Besondere: Nicht eine Aufführung auf der Bühne wird aufgezeichnet, sondern die Oper wird eigens für das Fernsehen inszeniert. So etwas gab es bislang nur ein einziges Mal, als aus dem Zürcher Hauptbahnhof die Traviata übertragen wurde – ebenfalls unter der Intendanz von Pereira und der Fernsehregie von Felix Breisach. Nun findet eine solche Übertragung erstmals in Österreich statt.

Der technische Aufwand ist riesig. 200 Menschen kümmern sich allein um die Fernsehproduktion, Breisach selbst warnt in einem Fernsehinterview vor der Übermacht des technisch Machbaren. Das Spektakel, das letztlich über den Sender geht, eröffnet eine neue Dimension. Etwas Gewaltigeres hat man im Fernsehen bislang wohl noch nicht gesehen. Eine Kammeroper in einem Hangar. Man darf gewiss sein, dass Mozart seinen Spaß daran gehabt hätte. Ist hier also die Schallmauer durchbrochen? Der erste Schritt dazu getan, dass Opern nicht mehr für ein elitäres Publikum in einem abgeschlossenen Saal, sondern für die breite Fernseh- und Internetmasse produziert werden? Klar ist: Der Spaß der vor Ort Anwesenden wird sich schnell erschöpfen. Zwar waren bei diesem Experiment die 600 Karten trotz vorgeschriebener Kleiderordnung in Rekordzeit verkauft, aber das Bedauern über die Einschränkungen, die die Besucher in Salzburg hinnehmen mussten, kursierte bereits unmittelbar im Anschluss an die Übertragung im Internet. 600 Zuschauer, also das halbe Publikum eines mittleren Opernhauses, werden in Zukunft möglicherweise ausbleiben, dafür aber – zumindest potenziell – Millionen von Zuschauern vor dem heimischen Bildschirm erreicht.

Und dann taucht die Frage auf: Wer finanziert denn diesen Spaß? Bislang haben die Produzenten darauf nur eine schmallippige Antwort. Sponsoren und Werbung. Und so stand die Entführung aus dem Serail auch ganz im Zeichen einer Erfrischungsgetränkefirma. Da mag der aufputschende Charakter des Getränks vielleicht noch gepasst haben; die Kommentare im Web waren eindeutig: So nicht. „Entgleisende Marketingveranstaltung“ war da zu lesen. Ob wir in Zukunft solche Veranstaltungen mit dem Vorspann „Sie sehen eine Werbeveranstaltung von …“ sehen werden, und ob wir das wollen, wird sich zeigen.

Immerhin gab es eine spannende Aufführung zu sehen. Da wird kaum einer abgeschaltet haben oder eingeschlafen sein – obwohl doch der Theaterschlaf bekanntermaßen der gesündeste ist. Auch technische Schwierigkeiten blieben bei der Faszination des Machbaren eher im Hintergrund. Ob die Inszenierung nun in allen Einzelheiten überzeugen konnte, mag dahingestellt sein. Sicher ist, dass es ein gelungenes Experiment war und sowohl den Salzburger Festspielen als auch dem TV-Sender großes Lob dafür gebührt, Oper in einer neuen Dimension darzustellen, ohne im Niveau auch nur einen Millimeter zu verlieren. Und das wird mit Sicherheit die Herausforderung der Zukunft sein: Darunter wird es nicht gehen. Bleiben also solche Ereignisse eine Besonderheit. Hoffentlich. Die Oper 3.0 hat begonnen, und wir dürfen gespannt sein, wer sich als nächstes an eine solche Aufgabe herantraut.

Michael S. Zerban, 26.8.2013

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Dirigent Hans Graf und sein Orchester
müssen sich ganz neuen
Herausforderungen stellen.


Regisseur Adrian Marthaler passt eine
alte Oper der neuen Zeit an.


The Show must go on: Zu einer
telegenen Inszenierung gehört auch
die passende Location.


Bonbonbunt und schillernd: Kostüme
der modernen Opernbühne?


Es braucht nicht zwingend Stars für
eine TV-Oper, aber es hilft ungemein.