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Buchbesprechung

Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch - Handreichung für Journalisten


Herausgeber

Seit 1995 ist das Antidiskriminierungsbüro (ADB) Köln eine unabhängige Anlauf- und Beratungsstelle für Menschen, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben oder sich mit Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzen möchten. Das ADB berät und unterstützt Menschen, die benachteiligt wurden aufgrund rassistischer oder ethnischer Zuschreibungen, einer Behinderung, der sexuellen Identität, des Geschlechts, des Lebensalters, der Religion bzw. Weltanschauung, des sozialen Status oder einer chronischen Erkrankung.


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Sprache will gelernt sein

Das Antidiskriminierungsbüro Köln des Vereins Öffentlichkeit gegen Gewalt hat eine 65-seitige Broschüre mit dem Titel Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch – Handreichung für Journalist_innenherausgegeben. Die Schrift will die Medienschaffenden für einen „sauberen“ Umgang mit Sprache sensibilisieren, um auch auf diesem Wege für den Kampf gegen Rassismus einen Beitrag zu leisten. Warum aber nur für Journalisten? Auch Rezipienten kann es durchaus helfen, einen Blick für tendenziöse Nachrichten zu entwickeln.

Zunächst aber wird der Blick auf ein ganz anderes Thema gelenkt, wählen die Autoren doch eine „gender-neutrale“ Sprache. Da gibt es also statt Journalisten und Journalistinnen Journalist_innen. Das ist nicht nur ausgesprochen leseunfreundlich, sondern lässt sich auch nicht fehlerfrei durchhalten. Und so braucht es einen Augenblick, bis man verstanden hat, um was es sich bei Jud_innen handelt.

Solche künstlich geschaffenen Sprachhürden sollten aber niemanden davon abhalten, sich mit den eigentlichen Problemfeldern zu beschäftigen. Anhand von Beispielen aus (Lokal-)Presse, Fernsehen und Politik verdeutlichen die Autorinnen und Autoren, wie sich Rassismus in der alltäglichen Berichterstattung eingeschlichen und festgesetzt hat. Dabei betonen sie, zu Recht, dass es nicht um politische Korrektheit geht und halten mithin auch nicht den moralischen Zeigefinger nach oben. So praxisbezogen die Beispiele sind, so vage bleiben die Verbesserungsvorschläge oder -hilfen. Schwer genug, in der Praxis rassismusfrei zu schreiben. Kein überzeugender Weg scheint zu sein, schwierig zu fassende Begriffe wie die Angehörigen verschiedener Ethnien mit vereinfachenden Anglizismen wie People of Color umschreiben zu wollen. Das schafft nur neue falsche Bilder.

Ergänzt werden die Texte zu Schwarzen, Muslimen, Roma und Sinti um historische Überblicke zur Entstehung der Rassismen.

Es geht den Verfassern in erster Linie darum, ein Bewusstsein für die Mechanismen in der Sprache zu schaffen, die helfen, rassistische Bilder in den Köpfen der Menschen – ob bewusst oder unbewusst – festzusetzen. Oft genug von Menschen, die sich Antirassismus auf ihre Fahnen schreiben und lediglich unüberlegt Erwartungshaltungen erfüllen.

Der eine oder andere Leser wird sich bei den Beispielen ertappen, sie nicht gleich beim ersten Lesen zu verstehen. Bester Beleg dafür, wie tief sich bestimmte Vorstellungen in unsere Gehirne eingebrannt haben. Und wie schwer es ist, sich davon zu lösen. Dazu kann die Lektüre der Broschüre eine gute, erste Hilfe sein.

Sprache ist ein wichtiger, ein grundlegender Teil unserer Kultur. Es lohnt sich also, sich mit ihr zu beschäftigen. Bevor sie zur Waffe wird.

Michael S. Zerban, 15.6.2015