O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Merry X-mas auf die sanfte Art

WEINACHTSKONZERT
(Diverse Komponisten)

Besuch am
8. Dezember 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Voi’Sis Vocalensemble in der Johanniskirche, Viersen

Ein Jahr und zwei Wochen ist es her, dass das Voi’Sis Vocalensemble seine Chorleiterin mit dem Abendsegen von Engelbert Humperdinck verabschiedete und ihre Nachfolgerin begrüßte (O-Ton berichtete). Nun lädt der Frauenchor erneut zum Weihnachtskonzert in die Johanniskirche in Süchteln ein. Mit Überraschungseffekt. Denn wieder dabei ist Stella Antwerpen, die von „ihrem“ Chor gebeten wurde, nun als Solistin aufzutreten. Das erlebt man nicht alle Tage, und es ist im Grunde eine schönere Geste als der Blumenstrauß zum Abschied. Und so hat Antwerpen „selbstverständlich“ zugesagt, obwohl ihr die Zeit dafür eigentlich fehlt. Schließlich ist sie gerade vollauf mit den Vorbereitungen ihres eigenen Konzertes am 19. Dezember im Mataré-Gymnasium in Meerbusch beschäftigt.

Andrea Magiera – Foto © O-Ton

Wie im vergangenen Jahr ist auch dieses Mal vor der Kirche wieder ein Glühwein-Stand aufgebaut, an dem sich das Publikum vor der Aufführung versammelt. Zwar ist auch die Kirche in diesem Jahr wieder sehr gut besucht, aber ansonsten ist alles eine Nummer kleiner. Vor allem am Licht wird gespart. Was vielleicht für eine gemütlichere Atmosphäre sorgt, aber auch den weihnachtlichen Glanz ein wenig vermissen lässt. Ein recht kümmerlicher Weihnachtsbaum, der lediglich mit einer schmalbrüstigen Lichterkette geschmückt ist, hat seinen Platz hinter dem Chor im Altarraum Platz gefunden. Die Beleuchtung dahinter erinnert eher an die Restglut eines Kamins. Immerhin gibt es für das Klavier, das in die linke vordere Ecke gerückt ist, hellen Lichterschein.

Eine Choristin übernimmt Begrüßung und Moderation, was zu der kuriosen Situation führt, dass Antwerpen jedes Mal den Raum vor dem Altar durchqueren muss, um ihr das Mikrofon hinzustellen. Es wird lebhaft bleiben. Allerdings liegt das eher daran, dass der Chor sich hat eine Menge einfallen lassen, um vor allem musikalisch für Abwechslung zu sorgen. Der Abend wird mit einem Duett von Stille Nacht eröffnet. Andrea Magiera, deren Haare über das Jahr extrem abgedunkelt sind, und Stella Antwerpen sorgen so gleich dafür, dass die richtige Stimmung aufkommt. Danach ist Schluss mit deutschen Weihnachtsliedern. Aus völlig unersichtlichem Grunde wird es ein englischer Abend. Nun gibt es glücklicherweise keine Pflicht, deutsche Weihnachtslieder zu intonieren, bloß weil man ein Weihnachtskonzert in Deutschland gibt. Allerdings ist Englisch auch nicht die zweite Amtssprache. Und es gibt eine Menge ganz wunderbarer Weihnachtslieder in allen möglichen Sprachen, die einem solchen Abend internationales Flair verleihen können, wenn man das will. Voi’Sis haben unter Andrea Magiera beschlossen, sich auf das Englische zu kaprizieren. Bitte schön. Der schön gestaltete Abendzettel bietet keinerlei Übersetzungshilfen. Also ist das Publikum auf den Klang der Lieder angewiesen. Dabei drücken sich Gabriel und Stella Antwerpen wechselweise am Dirigentenpult vorbei, um das Klavier zu bedienen.

Gabriel Antwerpen – Foto © O-Ton

Überfordert werden die beiden nicht, denn das Klavierspiel scheint auf das Notwendigste reduziert. Dagegen spricht überhaupt nichts, schließlich ist es ein Chorkonzert. Das geht mit White Christmas, Mary did you know und The snow begins to fall weiter. Zweifelsohne schöne Arrangements mit allerlei Feinheiten im Gesang, die von den Frauen wie auch die folgenden Lieder derart schön und sanft gesungen werden, dass man sich wie weichgespült fühlt. Santa Clause is coming to town im Arrangement von Tijs Krammer klingt eher nach Wiegenlied als nach überbordender Vorfreude mit Schellenrasseln. Und wartet man nach Angels Carol von John Rutter und Have yourself a merry little Christmas auf Jingle Bells Rock, dann impliziert schon der Name, worauf man vergeblich hofft.

Großartig sind ebenfalls die stimmlichen Leistungen von Magiera und Antwerpen, wenn sie ihre beiden Duette – The Lord bless you and keep you und man höre und staune Maria durch ein Dornwald ging – vortragen. Mit Hark the Herald und Jingle Bells ist dann endlich auch der englische Teil des Abends abgeschlossen. Und das Publikum ist gefragt. Es ist ja gute Sitte eines Weihnachtskonzerts, dass am Ende alle gemeinsam singen. In der Johanniskirche gelingt das besonders gut, weil das Publikum nicht zwangsverhaftet, sondern mitgenommen wird. Da sind die Besucher mit dem Herzen dabei, und in der Kirche wird es feierlich. O du fröhliche wird tatsächlich zur Freude der Christenheit. Mit dem gemeinsam gesungenen Stille Nacht schließt sich der Kreis. Die Freude ist dabei größer als der Applaus, wie kurz darauf am Glühweinstand zu hören ist, wo noch viele der Besucher verweilen.

Die Frauen vom Voi’Sis Vocalensemble haben ein wunderbares und ungewöhnliches Konzert abgeliefert. Dass sie selbst viel Freude an dem Abend hatten, sieht man ihren strahlenden Gesichtern nach dem Konzert an.

Michael S. Zerban