Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
SPOTLIGHT-KONZERT
(Diverse Komponisten)
Besuch am
15. Februar 2023
(Einmalige Aufführung)
Mit einem großen Ansturm hatte Julia Coulmas, künstlerische Leiterin der Düsseldorf Lyric Opera, nicht gerechnet, als sie den Termin für das erste Spotlight-Konzert nach der Pandemie ansetzte. Und so setzte sie bei der Planung des Programms auch nicht auf große, neue Überraschungen, sondern mehr auf vertrauensbildende Maßnahmen. Bekannte Gesichter, die Altbekanntes interpretieren, sind ihr da wichtiger. Und sie soll Recht behalten.
An diesem Abend bleiben viele Plätze im Salzmannbau im Düsseldorfer Stadtteil Bilk leer, aber die „Stammgäste“ sind gekommen. Und so entsteht hier im Nullkommanichts eine geradezu intime Atmosphäre, in der die Düsseldorf Lyric Opera ihre Rückkehr feiert. Meghan Behiel nimmt endlich wieder am Klavier Platz, um die Sänger zu begleiten. Die „große Besetzung“ gibt es – noch – nicht, Pianist Michael Carleton und Saxofonist Luis Pallarolas bereiten sich gerade auf ein anderes Projekt vor, über das später zu reden sein wird. Aber das heutige Programm hat Behiel ohnehin locker im Griff. Locker gibt sich auch Coulmas, die das Publikum in englischer Sprache und glänzend gelaunt begrüßt. Es geht wieder los! Das ist die Botschaft des Abends.
Phillipa Thomas und James Williams – Foto © O-Ton
Karen Bandelow eröffnet den Gesangsreigen mit Printemps qui commence aus Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns, nachdem sie auch die deutschen Gäste begrüßt hat. Zuckersüß präsentieren Phillipa Thomas und James Williams Lippen schweigen, den großen Schlusswalzer aus der Operette Die lustige Witwe von Franz Lehár. Dass die beiden auch noch einen Walzer andeuten, gehört ja irgendwie dazu. Ja, bitte schön, es ist ein Best of, wie man es in den 1960-er Jahren von Peter Frankenfeld im Fernsehen präsentiert bekam. Aber warum eigentlich nicht? Williams bleibt auf der Bühne zurück, um aus Faust von Charles Gounod O sainte médaille … Avant de quitter ces lieux zu singen. Coulmas und Bandelow lösen ihn mit dem Duettino Sull’aria … che soave zeffiretto aus Wolfgang Amadeus Mozarts Le nozze di figaro ab. Es ist die Stelle im dritten Akt, als Gräfin Almaviva Susanna auffordert, ihren Mann der Untreue zu überführen. Die beiden Sängerinnen haben ihren Spaß, der sich sofort auf das Publikum überträgt. Auch der Auftritt von Julia Langeder ist längst gute Übung. Einen Monat zuvor konnte sie mit Spiel- und Sangesfreude in der Kulturvilla Mettmann mit dem Auftritt des Kammermädchens Adele aus der Fledermaus von Johann Strauss überzeugen. Das gelingt ihr auch jetzt. Der Herr Marquis kommt schmissig mit Einleitung daher. Wunderbar der Kontrast, den Bassbariton Thomas Huy mit seinem Ol‘ man river bietet. Es ist die großartige Hymne von Schiffsheizer Joe aus dem Musical Show Boat, bei der Huy ganz tief in den Keller seiner Stimme hinabsteigen kann. 1927 komponiert, klingt das Ganze heute wieder – oder immer noch? – reichlich aktuell. Vor der Pause treten Bandelow, Coulmas und Thomas an, um auf ein Ensemble hinzuweisen, das als Tochter der Düsseldorf Lyric Opera gelten kann. Fräulein Swing ist Spaß pur. Das beweisen die drei mit Bei mir bist du schön. Vielleicht politisch nicht ganz korrekt, aber so ist das mit dem Spaß.
Karen Bandelow und Julia Coulmas – Foto © O-Ton
Nach der Pause, die verfliegt, weil es ja so viel zwischen Publikum und Ensemble zu besprechen gibt, nachdem man sich so lange nicht gesehen hat, bittet Coulmas Alcindoro und Marcello auf die Bühne. Die beiden Herren aus dem Publikum erklären sich gern bereit, der Musetta aus der Oper La bohème bei ihrer Arie Quando m’en vo – Wenn ich weggehe – zu sekundieren. Ein herrlicher Spaß, ehe es richtig Ernst wird. Denn dann tritt Huy erneut auf, um die Arie Ella giammai m’amò – Sie hat mich nie geliebt – des Königs in Don Carlos von Giuseppe Verdi zu interpretieren. Pflichtprogramm für einen Bassbariton, das Huy glänzend absolviert. Die Tal- und Bahnfahrt geht weiter. Kaum ist Huy abgegangen, beglückt Langeder mit Spiel ich die Unschuld vom Lande quasi als Fortsetzung aus der Fledermaus erneut das Publikum. Sehenswert ihr Zusammenbruch am Klavier. Das ist dann schauspielerisch ganz weit vorn. Williams ist an diesem Abend auf Schmalz programmiert. Weil er es ja auch so gut kann. Mein Sehnen, mein Wähnen ist Pierrots Tanzlied aus der Toten Stadt von Erich Korngold, auch einer der Gassenhauer, die man bis heute immer wieder gern hört. Die deutsche Intonation ist einwandfrei. Kompliment. Und am liebsten hätte er ja auch gleich weitergemacht. Aber da ist Frank Schnitzler vor. Wie schon im Café Mautz beim Open-Air-Auftritt hetzt er nach der Probe an der Rheinoper mit dem Fahrrad nach Bilk, um unbedingt beim Auftritt der Düsseldorf Lyric Opera dabei zu sein – und sei es auch nur zum Ende der zweiten Hälfte. Aber bei Recondita armonia, der ersten Arie des Cavaradossi aus Giacomos Puccini Tosca, geht selbst dem Tenor ein wenig die Puste aus. Macht nichts. Die Absicht zählt. Und mit dem abschließenden Pa-Pagena! Pa-Papageno! aus der Zauberflöte, das Thomas und Williams darbieten, endet dann auch dieser Abend. Na ja, nicht ganz.
Libiamo, ne‘ lieti calici, das Trinklied aus La traviata von Giuseppe Verdi, eint sie dann alle noch mal. Und es ist ein Versprechen. Denn am 26. April wird es das nächste Spotlight-Konzert geben. Dann ist die Schonzeit vorüber, und das Publikum darf die große Besetzung mit neuem Programm erwarten. Die Vorfreude ist nach der behutsamen Rückkehr der Düsseldorf Lyric Opera groß. Nach dem Applaus ist an diesem Abend noch lange nicht Schluss. Und ein ganz besonderer Auftritt ist für den März geplant. Dann werden Julia Coulmas, Michael Carleton und Luis Pallarolas auf dem Aachener Platz antreten. Das ist der berühmte Flohmarkt mit dem Zelt, in dem am Samstag die verrücktesten Jazz-Auftritte stattfinden. Coulmas hat ihr Ziel an diesem Abend erreicht. Die Lust auf die weiteren Auftritte, in welcher Form auch immer, zu wecken. Bravo!
Michael S. Zerban