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Fakten zur Aufführung 

UN BALLO IN MASCHERA
(Guiseppe Verdi )
24. Februar 2013
(Premiere)

Wuppertaler Bühnen


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Barock und Plastik beim tödlichen Ball

Eine Ansage, die allen im Gedächtnis bleibt: Dramaturg Johannes Blum kündigt Tenor Felipe Rojas Velozo an, der mit Husten den Riccardo singen will, und wirkt noch relativ gelassen. Als er danach die Rampe wieder verlassen will, sind alle Ausgänge verschlossen. Es dauert einen Augenblick, bis er erkennt, dass er auf der Bühne eingesperrt ist. Es folgt ein hilfesuchender Blick von ihm in Richtung Technik. Das Publikum applaudiert begeistert, als ihm eine Tür geöffnet wird. Ein bisschen unfreiwilliger Humor also vor dem ersten Akt von Verdis Maskenball. Der erste Akt ist bei Regisseur und Intendant Johannes Weigand gewollt mit etwas Humor gewürzt, zeigt den leichtsinnigen Grafen Riccardo, der sich lieber um die Gästeliste kümmert als um staatlichen Papiere, die ihm sein Vertrauter Renato reichen will. Erstaunlich viel erzählt er im ersten Bild über die Figuren, zeigt den bürokratisch-freundschaftlichen Eifer des Renato, den frechen Pagen Oscar, der sich über den obersten Richter lustig macht. Schon hier deutet sich an, dass Weigand mit dem Chor nicht ganz so viel anfangen kann, der recht untätig seinen Herrn erwartet und sich doch ganz deutlich als ein kleiner Haufen Verschwörer zusammen rottet.

Doch nach und nach flaut das Interesse an den Personen ab und weicht einer ganz braven und konventionellen Personenführung. In der Ulrica-Szene wird mit einigen netten Rauch- und Feuer-Effekten die mystische Seite der Zigeunerin angedeutet. Bei der großen Verschwörerszene im Finale des zweiten Aktes ist schließlich Stillstand: Schließt man für zwei Minuten die Augen und öffnet sie dann wieder, hat sich die Position aller Beteiligten nicht verändert. Im Vergleich dazu ist ihm für Renatos Eifersuchtsausbruch im dritten Akt nur eingefallen, Renato wie einen Tiger auf und ab gehen zu lassen. Dieses Bild bessert sich, wenn Renato sichtbar gute Laune bekommt, als er hört, dass das Los für Riccardos Ermordung auf ihn gefallen ist. Bis auf die ständig umfallenden Plastiksektgläser auf dem Maskenball, die mangels Dekoration auf dem Boden abgestellt werden, ist das Finale mit einer schönen Tanzchoreographie zunächst recht ordentlich inszeniert. Etwas kitschig und dick aufgetragen ist der Moment, als der reuige Renato den sterbenden Riccardo in den Arm nimmt.

In der letzten Szene schlägt die Stunde der Kostüme. Judith Fischer hat der Gesellschaft einen rockigen Barocklook verpasst. In den vorangehenden Akten reichen ihre Kostüme nicht unbedingt an diese heran, sind aber auch sehr ansehnlich. Anscheinend hat diese Ausstattung einen Großteil des Budgets verschlungen, denn die Bühne von Moritz Nitsche fällt sehr schlicht aus. Er scheint einerseits eine gelungene Demonstration in Sachen Sparzwänge abzuliefern. Andererseits sind der unermüdliche Einsatz der Hebebühnen und die Einsicht in die Bühnentechnik wohl auch dem historischen Vorbild des Riccardo geschuldet. König Gustav von Schweden war bekanntlich ein großer Liebhaber des Theaters. Die grauen Bühnenstücke sehen nicht schön aus, bieten aber viele Auftrittsmöglichkeiten. Die Lichtregie von Fredy Deisenroth ist dafür zuständig, bedrohliche Schatten an die Rückwand zu werfen. Eine etwas uneinheitliche Arbeit des Teams, das trotz aller Kleinigkeiten eine souveräne und sängerfreundliche Deutung vorlegt.

Bei den Sängerdarstellern gibt es zwei Gewinner und einen Meister der Herzen: Melba Ramos meistert die zerrissene Amelia ganz hervorragend. Ihre beiden Arien werden sogleich mit begeistertem Applaus bedacht – zu Recht! Wie sie ist auch Kay Stiefermann ein Sänger, der Verdi mit der ganzen Bandbreite seiner Möglichkeiten interpretiert. Dieser markant vorgetragene Renato entwickelt sich neben der Ramos zu einem Publikumsliebling. Felipe Rojas Velozo beginnt sehr vorsichtig und tatsächlich hört man auch den ein oder anderen Bruch in der Stimme und den angesagten Husten. Er steigert sich beachtlich in den zweiten Akt hinein, dann kommt der kurze Zusammenbruch im dritten Akt, wo er die lange Legatolinie nicht mehr halten kann und takteweise oktavieren muss. Sehr aufmerksam, wie das Publikum ihn mit einem herzlichen Beifall noch einmal anfeuert, so dass er die Oper mehr als respektabel zu Ende singt. Licht und Schatten gibt es beim Rest der Besetzung: Zdravka Ambric lässt sich gerne in die Bruststimme hineinfallen, ansonsten bewegt sich ihre Ulrica etwas blass im stimmlicher Unausgeglichenheit. Elena Finks Page Oscar ist in sich gespalten: Als Stimmungsmacher serviert sie sprühende Koloraturen in allen Lagen, doch die Stimme fasert im hohen Legato aus und beschert sogar einige unangenehme Momente in der Intonation. Mit sehr guten Auftritten präsentieren sich die Ensemblemitglieder Olaf Haye, Miljan Milovic und Martin Js. Ohu. Jens Bingert hat Chor und Extrachor zusammengeschweißt, so dass man auch hier ein hohes Niveau genießen kann.

Florian Frannek setzt auf eine differenzierte Untermalung des Geschehens mit rhythmischer Detailfreudigkeit: Das Sinfonieorchester Wuppertal ist besonders im unbeschwerten Parlando eine sichere Bank. Im dramatischen Zugriff hören sich Pauken und Blech etwas dumpf an, den Flöten fehlt es zum Teil an Brillanz. Doch mit dieser Interpretation kann man mehr als zufrieden sein.

Dementsprechend fällt der Applaus am Ende sehr laut und begeistert aus. Nach und nach erhebt sich der Großteil zu standing ovations. Bei Melba Ramos outen sich im Publikum Italiener mit hierzulande eher seltenen brava-Rufen. Auch Tenor Velozo, der sich beim Verbeugen entschuldigt, schlägt freundlicher und dankbarer Beifall entgegen. Eigentlich also ein sehr gutes Publikum. Aber nicht alle verstehen, dass die Pause zum Reden da ist und die Vorstellung doch ohne Kommentare und dem Nachsummen der Melodien sattfinden sollte. Insgesamt ein würdiger und stimmiger Beitrag zum Verdi-Jahr.

Christoph Broermann





Fotos: Uwe Stratmann