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Fakten zur Aufführung 

DER FREISCHÜTZ
(Carl Maria von Weber)
14. September 2012
(Premiere)

Wuppertaler Bühnen


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Waidmanns Beil

Der deutsche Wald wurde abgeholzt – übrig bleibt ein Bretterwald aus Holzlatten, der anfangs noch Wände bildet, in der Wolfsschluchtszene wortwörtlich aus den Angeln gehoben wird und danach ein Trümmerhaufen ist. Auch gibt es kaum noch angestaubte Requisiten wie Gamsbärte und lodengrün-biedermeierliche Einrichtungen, nur einige Wildschweinleichen: Kurios ausgestopfte Tierköpfe und die Gewehre zeugen vom Jägermilieu. Natürlich lässt sich der aus heutiger Sicht unmoderne Plot nicht "weginszenieren", zu präsent sind beispielsweise die Rollen für Mann und Frau. Gut dazu passen die Kostüme, die im spießigen 1950er-Jahre-Stil gehalten sind. Da trägt der Mann noch Frack und Cut, die Dame knielangen Petticoat und Abendroben. Nanette Zimmermann, die für Bühnenbild als auch Kostüm verantwortlich ist, darf hier sowohl abstrakt als auch opulent arbeiten. Eine gute Mischung fürs Auge mit großer Wirkung.

Regisseurin Andrea Schwalbach tut in diesem Freischütz etwas, was sich bestimmt schon viele Kollegen gewünscht haben: Sie ergänzt das von vielen als minderwertig erachtete Libretto von Friedrich Kind um Zaubersprüche aus Deutsche Mythologie von Jacob Grimm und Sequenzen aus der Hauptquelle Kinds: Die Erzählung Der Freischütz aus Apels Gespensterbuch. Zwar sind die Ergänzungen durchaus passend, aber man fragt sich zu Recht, ob es dann eigentlich noch der Freischütz in Webers Sinne ist. Wie weit darf man in die Singspieltexte eingreifen, ist nur die Musik und das gesungene Wort schützenswert? Lässt man diese kritischen Gedanken beiseite, passen die Umdeutungen sehr gut, denn sie lassen Raum für mehr und lockern die Szenerie auf: Samiel ist nicht nur eine böse Ahnung, ein Schatten der nur in der Wolfsschluchtszene und am Rande auftauchen darf, sondern er ist vielmehr ein allgegenwärtiger, gefräßiger Spaßvogel im Beamten-Look, der überall und nirgends seine Finger im Spiel hat und das Treiben der Menschlein zu seiner eigenen Belustigung anstachelt. Schauspieler Marco Wohlwend verkörpert den blutgierigen Bösen mit gekonnter Variabilität zwischen grausigen Blicken und lockerem Charme. Vor allem, als die Freikugeln nicht gegossen, sondern lautstark in einen Eimer gewürgt werden, schwankt das Publikum zwischen Lachen und Entsetzen. Leider bleibt die Personenführung Schwalbachs größtenteils unverständlich, und auch die Tatsache, dass sie den Sängerdarstellern unsäglich opernhaft-schmachtende Blicke erlaubt, ist auf Dauer etwas nervig. Am gelungensten ist da noch die Wolfsschluchtszene, in der der eigentlich romantische Gedanke am klarsten atmosphärisch hervortritt.

Erfreulicherweise wurde an der Musik nicht "rumgewurschtelt". Das Sinfonieorchester unter der Leitung von Florian Frannek lässt die anmutigen Melodien und bekannt-nostalgischen Klänge zu jedermanns Glückseligkeit erschallen. Vor allem trägt aber der Chor – von Jens Bingert pointiert einstudiert – zum Gelingen des musikalischen Teils bei. Stimmlich herausragend zu nennen sind Dorothea Brandt als kokettes, gewandtes Ännchen, John In Eichen als markanter Kaspar und Bass Martin Js. Ohu als Eremit. Max wird von Tenor Niclas Oettermann mit teilweise beeindruckend gellenden Tönen gesungen, allerdings leiden Artikulation und Schmelz. Banu Böke leiht Agathe ihre außergewöhnlich dunkel-timbrierte Stimme, die man sich noch feinfühliger wünscht. Thomas Laske kann auf ganzer Linie als Fürst Ottokar überzeugen, während Boris Leisenheimer befremdlicherweise als Tenor die Partie des Kilian, eigentlich Bariton, singt. Dafür gelingt seine darstellerische Leistung umso besser. Erbförster Kuno wird von einem distinguierten Olaf Haye solide gesungen.

Das Publikum ist freundlich eingestellt – brav gibt es für alle Solisten Szenenapplaus und für die Regie ein paar obligatorische Buh-Rufe, allerdings sieht echte Begeisterung anders aus. Vielleicht wäre das ältere Premierenpublikum mit einer konventionelleren Inszenierung zufriedener gewesen – aber worüber hätte man dann reden sollen?

Miriam Rosenbohm

Fotos: Uwe Stratmann