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Fakten zur Aufführung 

FALSTAFF
(Giuseppe Verdi)
27. November 2011
(Premiere)

Wuppertaler Bühnen

Points of Honor                      

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Ein musikalischer Tag am Strand

Kein Wirtshaus zu Windsor, sondern der Strand der „Windsor Palace“-Anlage stellt den Handlungsort dar, wo der dicke John Falstaff und die lustigen Weiber ihre Spielchen treiben. Bühnenbilder Moritz Nitsche hat dafür ein augenscheinlich sehr simples, aber in seiner Wirkung geniales Set aufgebaut. Ein Holzkai, ein paar Liegestühle, Sonnenschirme, zwei Umkleidehäuschen, dazu ein leicht wogendes Meer und blauer Horizont. Dass alle Akte im gleichen Ambiente spielen, ist kein Nachteil, denn immer werden neue Details sichtbar: Gleich zu Beginn stolpert Dr. Cajus über den im Frühnebel verborgen liegenden Bardolfo. Im zweiten Akt steht Falstaff wie ein stolz in die Ferne blickender Columbus auf einem kleinen Holzboot und singt sein Va, vecchio John. In der Dämmerung des dritten Aktes werden am Horizont die funkelnden Lichter eines Freizeitparks sichtbar. Die Bühne wird toll ausgeleuchtet von Henning Priemer. Es gibt einfach eine Menge zu sehen und auch Kostüme und Regie machen da keine Ausnahme: Judith Fischer verortet mit ihren farbenfrohen Kostümen die Handlung in die erste Hälfe des letzten Jahrhunderts, und nicht nur John Falstaff in enganliegender Pfadfinder-Uniform ist zum Schreien komisch.

Johannes Wigand geht in seiner sehenswerten Inszenierung ganz unverkrampft zu Werke und setzt Verdis quirlige Musik mit viel Situationskomik und viel, aber nicht zu viel Bewegung um. Da sportelt Mr. Ford an der Bühnenrampe herum, während die restlichen Herren nur müde hinterher hecheln. Dem Rivalen Falstaff möchte er natürlich mit Golfschlägern zu Leibe rücken. Im nächtlichen Finale nähern sich, der Umgebung angemessen, Wassergeister dem dicken Ritter, darunter Ford als Meergott Neptun und Nannetta sitzt alla Meerjungfrau Arielle auf dem Dach mit einer langen Schwanzflosse. Allerdings ist die Abrechnung mit Falstaff im Vergleich zu den vorherigen Szenen etwas zu brav und somit kann die schwierige Musik punkten.

Trotz des hohen musikalischen Niveaus wird sich in den Folgevorstellungen das Timing unter den Künstlern noch verbessern. Schließlich ist Falstaff eine rasante Spieloper, und ab und an fügen sich instrumentale und vokale Achteln nicht zusammen oder singt ein Chorsänger einen Ton zu viel. Doch schon bei der Premiere zeigt sich das Sinfonieorchester in blendender Form. Unter der Leitung von Hilary Griffith bringt es Detailfreude und Spielwitz auf einen sing- und spielbaren Nenner. Der von Jens Bingert einstudierte Chor zeigt sich dazu in bester Verfassung und schließt sich damit dem quicklebendigen Ensemble an. Aus der guten Frauenriege ragt die fein lyrische Dorothea Brandt als Nannetta heraus und sticht sogar die präsente, aber gelegentlich etwas scharf klingende Banu Böke in der Rolle der Alice Ford aus. Die männlichen Nebenrollen präsentieren sich mit großer vis comica: Christian Sturm als Fenton darf den verliebten Hotelboy mit tenoralem Schmelz mimen und wäre eine Idealbesetzung, wenn er seine Courage in der Höhe finden würde. Der smarte Thomas Laske singt den Ford mit britischer Kühle, nicht ganz so optimal fokussiert wie sonst, aber herrlich nuancenreich im Ausdruck. Wie es sich für die Titelfigur gehört, schießt Kiril Manolov den Vogel ab. Sein Falstaff erinnert zuweilen an südländische Zeitgenossen, die mit arrogantem Gehabe in Bars herumlungern. Er wirkt alles andere als lächerlich, gelegentlich aber gefährlich. Umso glaubhafter ist seine unfreiwillig komische Seite. Manolov spielt das köstlich aus, hat mit Ralf Rachbauer, der den Bardolfo gibt, und Thomas Schobert als Pistola zwei tolle Anspielstationen zur Seite. Sein Bariton klingt gesund und kraftvoll, weiß alle Klippen der Partie geschickt zu meistern. Nur gelegentlich bleibt er etwas vage in der Intonation, was seiner überragenden Leistung aber kaum Schaden zufügt.

Schon seine erste lange Fermate über vollem Orchester wird vom Publikum bejubelt, und nicht nur so stellen einige ignorante Premieren-Gäste zur Schau, dass sie sich von der überschwänglichen Atmosphäre auf der Bühne mitreißen lassen. Bei Fentons Bienenkostüm wird der Nachbar schnell und laut auf die – welch Geistesblitz – Biene Maja hingewiesen. Eine alte Dame demonstriert ihre italienischen Kenntnisse des letzten Sprachkurses und zählt für jeden Zuhörer in der Nähe vernehmbar zusammen mit Falstaff bis zwölf. Der herzliche und laute Schlussapplaus, der alle Beteiligten mit einschließt, versöhnt für dieses Verhalten.

Christoph Broermann






 
Fotos: U. Stratmann