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Fakten zur Aufführung 

BLUTHOCHZEIT
(Wolfgang Fortner)
13. Januar 2013
(Premiere)

Wuppertaler Bühnen, Opernhaus


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Nach der Premiere

Wieder einmal ein grandioser Erfolg für Christian von Götz. Der sympathische Regisseur erzählt, warum ihm die Inszenierung von Bluthochzeit wirklich wichtig ist (5'45).


 

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Endlich erlöst

Wie viele Qualen muss eine Frau ertragen, die Sohn und Ehemann verloren hat? Wie perfide ist es eigentlich, erst alles verlieren zu müssen, um Erlösung zu finden? Und: Ist der Mensch kein wahrhaftig soziales Wesen, sondern stets auf sich gestellt in der Kargheit und Einöde der ihn umgebenden Gesellschaft unterwegs? Mit diesen Fragen hat sich Federico García Lorca in seiner Tragödie Bluthochzeit beschäftigt. Wolfgang Fortner hat daraus so etwas wie eine Oper gemacht, und Regisseur Christian von Götz hat es zum ersten Mal nach 28 Jahren inszeniert.

Und dabei eine scheinbar einfache, in ihren Beziehungsgeflechten aber doch hochkomplexe Geschichte vorgefunden: Der Sohn lebt noch bei seiner Mutter. Vater und Bruder sind in einer Messerstecherei mit der Familie Felíx umgekommen. Nun will der Sohn die Ex-Verlobte von Leonardo Felíx ehelichen, der mittlerweile mit der Cousine der Braut verheiratet ist. Leonardo und die Frischvermählte fliehen gemeinsam von der Hochzeitsfeier. Der Sohn verfolgt sie, und im Kampf gegen Leonardo verlieren beide ihr Leben. Die Braut eilt zur Mutter des Sohnes, um ihr zu versichern, dass sie keusch geblieben sei, was die Mutter herzlich wenig interessiert. Die fühlt sich erlöst, weil sie nun ihre gesamte Familie verloren hat; es gibt keinen mehr, um den sie sich kümmern müsste.

Es ist eine Tragödie, die sich zwischen Surrealismus und Verismo bewegt. Das hat von Götz zu einer ungewöhnlichen Bühne veranlasst. Das Orchester sitzt sozusagen in der ersten Etage auf einem Podium auf der Bühne. Zum Bühnenrand schließt das Erdgeschoss eine Türenwand ab, die schnelle Auftritte und Abgänge gestattet. Der Graben ist hochgefahren und bietet eine karge Plattform, auf der sich Möbel und Personal befinden. Zwischenzeitlich trennt ein halbtransparenter Vorhang das Orchester von der Spielfläche ab, auf dem die Fassade eines Wohnsilos zu sehen, wie man es überall auf der Welt in sozialen Brennpunkten findet. Ulrich Schulz hat viele der Personen in Kostüme gesteckt, die man einer solchen Gegend üblicherweise zuordnet. Die Trainingshose mit den drei Streifen kommt überdurchschnittlich oft vor. Aus dem Mond macht Schulz einen Zwerg, den Martin Koch auf Knien spielt, an die Turnschuhe gebunden sind. Mit einer Seitwärtsbewegung entschärft Koch die Illusion und zeigt den Mond so als groteske Erscheinung.

Wer zusätzliche Rollen einführt, läuft immer Gefahr, diese Personen besonders kritischer Betrachtung auszusetzen. Von Götz personalisiert den Dämon in Gestalt der ganz wunderbaren Tänzerin Verena Hierholzer. Und so muss man sich fragen, warum es diese Person eigentlich bislang noch nicht gegeben hat. Den Tod manifestiert der Regisseur in der Gestalt einer Bettlerin, der Ingeborg Wolff so viel Echtheit verleiht, dass sie sich in die Herzen der Zuschauer spielt. Unglaublich die Leistung von Dalia Schaechter, die die Mutter verkörpert. In Stimme und Spiel von einer nicht zu überbietenden Natürlichkeit, wirkt sie gerade deshalb hochdramatisch. Gegen eine solche Sängerdarstellerin in der Hauptrolle müssen die Mitspieler ein Stück weit verblassen. Allerdings nicht so sehr wie Thomas Laske, der dem Leonardo zwar ordentlich Stimme und Körper leiht, die Leidenschaft aber außen vor lässt. Ohne große Bühnenpräsenz bleibt Miriam Ritter, die auch noch ein blassbeigefarbenes Kostüm trägt, wenn sie die Frau Leonardos darstellt. Da wirkt die Schwiegermutter Leonardos von Cornelia Berger schon sehr viel energischer und überzeugender. Gregor Henze als Sohn und Stephan Ullrich als der Vater der Braut spielen ordentlich. Als Magd irritiert Joslyn Rechter, die ihre Rolle so intensiv und präsent spielt und singt, dass der Zuschauer einen Moment oder auch einen Blick in das Programmheft braucht, um zu verstehen, dass hier „nur“ die Magd im Hause der Braut agiert. Frisch und mit sportlicher Note überzeugt Annika Boos, die als Kind Seilchen springend saubere Koloraturen singt. Ohne Makel singt und spielt Banu Böke die Braut. Im Gesamtergebnis bekommt der Zuschauer trotz erheblicher Schwierigkeitsgrade eine Aufführung von höchstem Niveau zu sehen. Da steht auch der Chor in der Einstudierung von Jens Bingert nicht zurück. Mit hoher Spielfreude bleiben die kurzen Einsätze präzise und stimmlich überzeugend.

Wer Vorbehalte gegenüber zeitgenössischer Musik hat, wird sich von Hilary Griffiths mit dem Sinfonieorchester Wuppertal gern eines Besseren belehren lassen. Unermüdlich und variantenreich führt der Musikalische Leiter seine Musiker durch das schwierige Fahrwasser dieser Partitur, die doch einiges an Untiefen zu bieten hat.

Nach zweieinhalb Stunden intensiver Tragik, durchtränkt von surrealistischen Einfällen und Symbolismen überbieten sich die Zuschauer gegenseitig mit Bravo-Rufen, insbesondere und auch für das Leitungsteam. Schade, dass es so schnell vorbei ist.

Michael S. Zerban

Fotos: Uwe Stratmann