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Fakten zur Aufführung 

AUFSTAND
(Enver Yalçin Özdiker)
28. April 2012
(Premiere am 4. März 2012)

Wuppertaler Bühnen


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Die Revolution schwelt im Orchester

Elberfeld 1849. Die Märzrevolution steht kurz bevor und mitten drin steckt Familie Jansen. Der Vater gehört mit seiner Tuchfabrik der Bourgeoisie an, seine Töchter Susanne und Graziella wenden sich jede auf ihre Weise der Arbeiterbewegung zu. Graziella als „rote“ Sufragette mit scharfer Zunge, Susanne, indem sie sich mit dem Arbeiter Anton einlässt. Dabei ist sie eigentlich mit dem gehemmten preußischen Baron Robert von Arrenberg verlobt, den wiederum ihre Schwester anziehend findet. Es kommt, wie es kommen muss. Die Familie zerbricht an den politischen Umständen, am Ende gibt es drei Tote, nur das Dienstmädchen schält weiter Kartoffeln. Immer dabei der Revolutionär Engels, der zynisch beleuchtet wird. Ein verkopfter Schwätzer, der das Handtuch wirft, wenn es zu brenzlig wird. Dem Libretto von Zaimoglu und Co-Autor Günter Senkel ist – nicht nur aufgrund der vollkommenen Artikulation der Darsteller – sehr gut zu folgen. Es findet eine Annäherung von angebracht archaisierender Sprache und zeitgenössischen Elementen statt, gespickt mit Wortwitz und emotional aufgeladenen Dialogen. Diese Kammeroper zeigt die Geschichte und Inhalte der Märzrevolution im Rheinland auf und vermittelt sie in eine gute Story verpackt.

Regie führt Christian von Treskow und das, trotz des begrenzten Platzangebotes, sehr gut und schlüssig. Die Personenführung gelingt nachvollziehbar und auch der stete Wechsel von Gesang und gesprochenem Text tut dem Ausdruck keinen Abbruch. Dorien Thomsens Bühnenbild ist an die Spielstätte des kleinen Schauspielhauses angepasst. Dementsprechend schlicht ist der Beginn gestaltet. Die acht Charaktere werden eingeführt. Sie sitzen jeweils an einem einzelnen, nach vorne ausgerichteten Tisch. Die, die szenisch eigentlich den Raum betreten sollten, stehen einfach auf. Geschickt werden diese einzelnen Tische dann jeweils von den manchmal auch bereits toten Darstellern umgebaut und auf einmal ist eine lange, weiß gedeckte Tafel entstanden, selbst ein Kronleuchter an einem Gerüst fehlt nicht. Aus dem Bühneninterieur wird dann am Ende die Barrikade der Revolutionäre. Der ganze eher geringe und in die Breite gehende Platz wird genutzt, es entsteht fast Oper zum Anfassen, da die Akteure teilweise nur ein paar Zentimeter von der ersten Reihe der Zuschauer entfernt spielen. Das Orchester ist hinter den Akteuren platziert und hinter halb heruntergelassenen Rollladen verborgen, durch die die Musiker schemenhaft erkennbar sind. Teilweise spähen die Darsteller durch die Lamellen nach draußen, wo sich die Revolution in der schwelend-dynamischen Musik spiegelt. Eine eher negative Folge der kleinen Spielstätte ist die Tatsache, dass die Stimmen der Sänger für wesentlich größere Häuser ausgebildet sind und so die Lautstärke des Gesangs teilweise zu stark gerät.

Die Kostüme, ebenfalls von Thomsen, bedienen einerseits die Zeit der Märzrevolution, wie die bunte preußische Uniform, unterstreichen andererseits die Charaktere. So trägt die revolutionäre Graziella eine Haube, andererseits einen karierten Anzug mit Reithosen und ledernen Reitstiefeln.

Das gesamte Ensemble besticht durch sehr gute Artikulation sowohl bei Gesang als auch den gesprochenen Passagen und vorbildliche darstellerische Qualitäten. Die beiden Schwestern ergänzen sich aufs Beste. Kristina Stanek als Graziella ist klein und blond, frech mit warmer potenter Stimme, Dorothea Brandt als Susanna dunkelhaarig, ernster mit glasklarem Sopran. Beide beweisen nicht nur im Spiel Mut zur Hässlichkeit, sondern auch in dem von der ausdrucksstarken Musik geforderten Gesang mit den teilweise scharfen Höhen. Hörbar indisponiert, aber trotzdem souverän singt Olaf Heye den Vater Gottfried Jansen. Er macht darstellerisch seine angeschlagene Stimme wett, mimt den starren bourgeoisen Tuchfabrikanten, der zwischen der Liebe zu seinen Töchtern und seinem Stand zerrissen ist. Bürgermeister Rolf A. Scheider überzeugt vollkommen mit warmer Stimme. Der Baron Robert von Arrenberg alias Marek Reichert klingt anfangs etwas belegt, singt und spielt sich aber als pflichtbewusster und spießiger Soldat frei. Christian Sturm gibt den Arbeiter und Revolutionär Anton mit markigem Tenor. Immer mit dabei Schauspieler Phillip Alfons Heitmann als Friedrich Engels, sowohl als stumme Rolle als auch mit explosionsartiger Rede überzeugend. Annika Boos als Ilse hat leider nur kurze Gesangspartien, spielt das verschlagene Dienstmädchen dafür gekonnt und schält dabei fast einen ganzen Eimer Kartoffeln.

Die zehn Musiker aus dem Sinfonieorchester Wuppertal unter der Leitung von Tobias Deutschmann spielen die anspruchsvolle Musik souverän-differenziert und setzen die dramatischen Emotionen musikalisch passend um. So geraten auch solche Anforderungen wie beispielsweise monotones Flüstern in die Klangkörper der Holzbläser, Flöte und Klarinette verständlich und tragen zur beklemmenden Stimmung bei, die in der dazugehörigen Szene herrscht. Nach vollbrachter Leistung treten die Musiker dann auch vor das Publikum, um sich ihren verdienten Applaus abzuholen.

Das Publikum genießt die intime Atmosphäre des Schauspielhauses, auch wenn die Nähe zu den Sängern etwas gewöhnungsbedürftig ist und die Lautstärke teilweise durch Mark und Bein geht. Herzlicher Beifall für Ensemble und Orchester.

Miriam Rosenbohm

 





Fotos: Uwe Stratmann