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Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
17. November 2013
(Premiere)

Wiener Staatsoper


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Nicht nur für Kenner und Kinder

Diese Zauberflöte polarisiert! Denn in Wien glaubt jeder zu wissen, wie dieses Schlüsselwerk von Wolfgang Amadeus Mozart zu inszenieren ist und wie es zu klingen hat. Schließlich hat der Musikfreund schon allein an der Staatsoper Unmengen von Inszenierungen mit Weltklassesängern erlebt. Die letzte ist für Wiener Verhältnisse, wo ja bekanntlich gewisse Produktionen mehrere Jahrzehnte am Buckel haben, noch gar nicht so alt, denn sie stammt aus 2000 und wurde von Marco Arturo Marelli erdacht. Sie bestach, wie bei diesem Regisseur üblich, durch große Bildästhetik.

Nun, mit Ästhetik kann die neue Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier nicht unbedingt punkten. Auch nicht mit irgendeiner richtungweisenden Deutung, was ja auch nicht immer sein muss. Vielleicht spaltet sie gerade deshalb das Publikum und ganz besonders die Kritik, die überwiegend negativ ausfiel. Aber wenn man die gewollte Intention ihrer Konzeption beachtet, ist durchaus viel Positives zu bemerken. Das Regie-Duo will nämlich wie zum Zeitpunkt der Uraufführung 1791 auf der Wieden und so wie vom Theaterimpresario und Librettist Emanuel Schikander gewollt und erdacht, das Werk als – durchaus auch deftiges - Vorstadttheater zeigen und es dabei mit modernem Leben füllen. Gut, das rostige, abgewohnte Mauerwerk im Hintergrund, das Bühnenbild stammt von Christian Fenoulliat, ist sehr hässlich und versprüht wahrlich keinen Charme. Aber wenn der cremefarbene Zwischenvorhang zugezogen wird, und das auf der Bühne im Stil des Innenraums der Staatsoper eingebaute Portal sichtbar wird, schaut es durchaus ansprechend aus. Gut, es wird immer wieder mit Pyrotechnik herumgeknallt. So werfen die drei Damen gleich zu Beginn eine Handgranate auf die furchterregende Schlange, der dadurch der gesamte Kopf abgerissen wird. Aber da gibt es genug lustvolle Ideen und lustvolles Theater, das durchaus auch märchenhafte Elemente atmet, auch bei den fantasievollen Kostümen von Agostino Cavalca Richtung Fantasy-Spektakel geht, viel guten Witz versprüht und nicht nur für Kenner, sondern auch für Kinder geeignet erscheint: Papageno fliegen bei seiner Auftrittsarie echte Tauben zu. Bären, Nashorn, Gorilla und Strauße trösten Tamino, auch ein riesiger Drachenkopf mit bedrohlichen Zähnen ist dabei. Die Wächter des Monostatos erscheinen als Polizisten, die bei Einsatz des Glockenspiels unter ihren Originaluniformen tanzend ihre Tutus zeigen. Papageno rennt irrwitzig durch den Zuschauerraum und sucht auf dem Schoß des einen oder anderen Besuchers Schutz. Da wird von unten und oben aufgetreten, da wird herein- und herumgeschwebt, dass es eine wahre Pracht ist. Und man bleibt immer am Text. Die Königin der Nacht, bei deren Erscheinen ein sichelförmiger Mond aus dem Boden erwächst – wieder ein sehr schönes Bild – ist auch keine abgehobene Person, sondern sehr menschlich und zutiefst verzweifelt. Auch die Eingeweihten des Sarastro, der auf Stelzen geht, wirken wie Menschen wie du und ich. Und zum Schluss sitzen Tamino und Pamina glücklich vereint vor einer aufgehenden Sonne, ein versöhnliches Schlussbild. Alles ist wieder gut!

Gut, es gibt beim Sängerensemble kaum klingende Namen. Der Direktor Dominique Meyer setzt überwiegend auf junge Protagonisten seines Hausensembles. Herausragend ist dabei der höchst wienerisch angelegte, in keiner Phase derber Papageno des Markus Werba, der glänzend und mit viel Charme spielt und mit wunderbar kernigem Bariton singt. Als besonderen Gag kann er immerzu aus Angst die Haare zu Berge stehen lassen. Valentina Nafornita gibt eine entzückende und ebenfalls sehr spielfreudige Papagena. Chen Reiss singt die Pamina mit seelenvollen Tönen, bei den Dialogen sollte sie noch an ihrer Wortdeutlichkeit feilen. Benjamin Bruns ist ein schlank timbrierter, sehr beweglicher, heller Tamino. Flexibel und blitzsauber sind auch die Koloraturen von Olga Budova, die allerdings ebenfalls schwer verständlich ist. Brindley Sherrat, als Sarastro indisponiert angesagt, singt ihn mit weicher, profunder Tiefe. Solide klingt der Monostatos des Thomas Ebenstein. Staatsopern-Urgestein Alfred Sramek als Sprecher und 2. Priester ist eine Klasse für sich. Benedikt Kobel als 1. Priester wie auch Marian Talaba und Dan Paul Dumitrescu als die zwei Geharnischten überzeugen. Die drei Damen, Olga Bezsmertna, Cristina Carvin wie auch Alisa Kolosova sind etwas uneinheitlich und unverständlich. Hingegen singen die drei Knaben, drei Wiener Sängerknaben, ohne Tadel und sehr intonationsrein, ebenso wie der Staatsopernchor, der von Martin Schebesta sehr präzise einstudiert wurde.

Christoph Eschenbach eilt der Ruf voraus, ein exzellenter Konzertdirigent, jedoch im Genre Oper und ganz besonders bei Mozart kein Spezialist zu sein. Diesmal weiß er zwar anfänglich große Vitalität zu versprühen und flotte Tempi im Orchester der Wiener Staatsoper zu mobilisieren. Zwischendurch fehlt es aber immer wieder an Differenzierungskunst, an Leichtigkeit und vor allem Sensibilität. Auch dreht er manchmal den Phonpegel allzu stark auf.

Diese Zauberflöte polarisiert: Das merkt man auch an den Reaktionen des Publikums, das zwischen Jubel und überwiegend lauter Zustimmung besonders für die musikalische Seite, aber auch mit einigen, wenigen Buhs für das Leitungsteam schwankt.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michael Pöhn