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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
23. Juni 2013
(Premiere im Dezember 2007)

Wiener Staatsoper


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Fast eine Sternstunde

Beide Blicke sind zuerst lange zu Boden gesenkt. Zögerlich sind die Schritte, als sie aufeinander zugehen, dann fallen sie sich doch in die Arme und halten sich lange fest und wehmütig umschlungen. Kaum merklich schüttelt sie den Kopf, als er erklärt, ihr jetzt die Gottheit abzuküssen und sie in den Schlaf zu versetzen. Dann küsst er sie lange und liebevoll auf Stirne, bis sie in seinen Armen langsam erschlafft und einschläft: So sensibel und ergreifend mit tiefen, zwischenmenschlichen Emotionen erlebt man Wotans Abschied von seiner Lieblingswalküre Brünnhilde, der auch musikalisch zu einem Ereignis wird, an der Wiener Staatsoper. Diese Szene aus Richard Wagners Die Walküre, die ja sicher zu den größten musikdramatischen Momenten in seinem Schaffen zählt, beschert uns im Haus am Ring ganz großes Musiktheater. Spektakulär gelingt mittels flammenden Videoeinspielungen auch der finale „Feuerzauber“. Ansonsten ist Sven-Eric Bechtolfs Regie auch bei dieser Wiederaufnahme ziemlich unspektakulär. Ohne sich auf politische oder mythologische Deutungen einzulassen, beschränkt er sich einfach darauf, die Gefühle und Beziehungen der Protagonisten im kargen Einheitsraum der Bühne Rolf Glittenbergs von zweifelhafter Ästhetik ohne Angabe einer Zeit und eines Ortes zu erzählen.

Unnötig aufgemotzt wird die Szene jedoch von Kinderspielzeug, von im Hintergrund vorbeiwandernden Videowölfen oder von einem in einem Tuch eingewickelten, toten, weißen Wolf. Wie auch der Walkürenritt zu einem lächerlichen Fangenspiel von blutbefleckten Megären und vor ihnen in panischer Angst fliehenden Kapuzenmännern mitten unter Gipspferden degradiert wird.

Musikalisch darf man begeistert sein: Kurzfristig für die erkrankte Martina Serafin eingesprungen ist Anja Kampe. Sie ist eine schön gefärbte, kraftvolle Sieglinde von berückender Pracht und intensiver Rollengestaltung. Sie ist der Inbegriff der Wagnerschen Liebenden - mit geschmeidiger Stimme. Intensiv geht sie bis an die Grenze des Möglichen. Johan Botha singt den Siegmund jugendlich strahlend mit mühelosen Höhen. Was er darstellerisch an Beweglichkeit vermissen lässt, macht er durch seine traumwandlerisch sichere Tongebung und exemplarische Wortdeutlichkeit wett. Ain Anger ist ein Hunding zum Fürchten mit extrem miesem Charakter. Er singt ihn böse mit pechschwarzem Bass. Mihoko Fujimura ist eine exzellente Fricka mit voluminösem Mezzo und starkem Ausdruck. Katarina Dalayman ist eine hochdramatische Brünnhilde und absolut sicher bei den manchmal vielleicht etwas scharf klingenden, gefürchteten Höhen. Tomasz Konieczny besitzt als Wotan einen metallisch gestählten Heldenbariton mit viel Weichheit, der nur in den tieferen Lagen manchmal etwas knorrig wird. Ohne Furcht und Tadel besetzt sind auch alle Rollen der übrigen Walküren: Donna Ellen, Caroline Wenborne, Alexandra Reinprecht, Stephanie Houtzeel, Ulrike Helzel, Zsusanna Szabó, Aura Twarowska und Juliette Mars lassen einen wohlabgestimmten Ensemblegesang hören.

Wunderbares erklingt aus dem Graben mit einem hinreißenden musikalischen Niveau. Die Garantie dafür liefert Peter Schneider am Pult: Vom aufgewühlten Orchestervorspiel bis zum emphatischen Finale musiziert das Orchester der Wiener Staatsoper unter seiner Leitung immer sängerfreundlich und nie zu laut. Er erlaubt den Sängern, ihre Melodien in jenem deutschen Belcanto auszusingen, den Wagner unermüdlich einforderte. Völlig unprätentiös und ohne Allüren atmet der Wagner-Spezialist immer mit dem Duktus dieser herrlichen Musik mit. Es gelingt ihm, in eher breiten, ausgekosteten Tempi herrlich lyrische Momente zu erzeugen, aber auch die großen Klangmassen aufzupeitschen und dabei immer die nötige Transparenz zu bewahren, dass es ein Genuss ist.

Jubel ohne Ende nach den letzten Takten dieser genialen Partitur!

Helmut Christian Mayer





Fotos: Michael Pöhn