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Fakten zur Aufführung 

IL TROVATORE
(Giuseppe Verdi)
16. November 2013
(Premiere)

Wiener Volksoper


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Der wahre Höhepunkt der Premiere

Das muss ihr erst einmal jemand nachmachen. Sicher, Chariklia Mavropoulou hat die Rolle der Azucena in dieser Inszenierung im Frühjahr 2012 bereits in Bonn gesungen. Aber am Vormittag der Premiere von Giuseppe Verdis Il trovatore an der Wiener Volksoper zum Einspringen überredet zu werden und dann die Premiere ohne Probe und noch dazu mit einer derartigen Intensität und derart mitreißenden Emotionen ihres kraftvollen, zu hoher Dramatik fähigen und auch ausgesprochen schöntimbrierten Mezzos zu singen, darstellerisch mit enormer Bühnenpräsenz alle an die Wand zu spielen und das Publikum zu solchem Jubel zu animieren, ist schon eine tolle Leistung. Nicht dass die Volksoper vielleicht leichtsinniger die Rolle der Zigeunerin nicht gecovert hätte, aber es war wie verhext, denn beide vorgesehenen Darstellerinnen sind kurzfristig erkrankt. Die deutsch-griechische Mezzosopranistin wurde so zum sängerischen Mittelpunkt und zum Highlight dieser Premiere.

Eine Premiere, mit der die Volksoper dem großen italienischen Komponisten im Jubiläumsjahr huldigt. Der Troubadour ist zwar eine der populärsten Verdi-Schöpfungen überhaupt, aber auch eine mit einer der verworrensten Handlungen. Dietrich W. Hilsdorf ist es in seiner recht konventionellen Inszenierung, einer Koproduktion mit dem Theater Bonn, wo die Oper ab März 2012 aufgeführt wurde, doch gelungen, den Plot, den er nicht im 15. Jahrhundert sondern Anfang des 20. Jahrhunderts in der Nähe des spanischen Bürgerkriegs mit Anklängen an die Inquisition ansiedelt, doch einigermaßen klar darzulegen. Die Bühnenbilder von Dieter Richter, die die Spielorte recht präzise verorten, sind teils recht ästhetisch, teils jedoch recht eng und zusammengedrängt, eine Ausnahme bildet das Bild in der Kirche mit viel Kerzenlicht, das einnehmend geschmackvoll ist. Die historisierenden Gewänder stammen von Renate Schmitzer. Nach anfänglicher Statik und einigen angestandenen Operngesten gelingt dem Regisseur aber nur eine bestenfalls solide, vor der Pause sogar recht träge Interpretation, die erst im zweiten Teil etwas mehr an Drastik gewinnt. So werden dann sehr brutal Folterungen, von Ziehen von Zähnen und Handnägeln oder wie Azucena wie eine Hexe mit Halsring hereingeführt und über eine Tonne mit Feuer gedrückt wird, gezeigt. Oder zum Finale, wenn Manrico mit blutigen Restfingern und seine Mutter mit ausgestochenen Augen auf ihre Hinrichtungen in der Zelle warten. Es gibt allerdings auch einige Ungereimtheiten, wenn etwa die Soldaten des Luna und nicht die Mannen des Manrico den Chorpart der Stretta singen wie auch einige ungewollte Lächerlichkeiten, etwa die Verwechslung der Leonora von Manrico und Luna mit ihren Zorro-Masken, die auf Grund der fülligen Statur des Troubadours schwer nachvollziehbar ist.

Melba Ramos, die anfänglich unsicher wirkt, deren Sopran aber dann mehr und mehr aufblüht, als von zwei Männern heiß begehrte Leonora, kommt noch am ehesten an die Azucena heran. Einer davon ist Stuart Neill, als Titelheld darstellerisch gehandicapt durch seine Körperfülle, kann hauptsächlich mit seinen mühelosen Höhen überzeugen – wobei ihm die Stretta ganz passabel gelingt – ansonsten wirkt sein Tenor in den lyrischen Phasen recht mulmig und teils sogar unschön. Der andere ist Tito You, der als Graf Luna zwar szenisch überzeugt, aber wegen seines rauen und tremoloreichen Baritons mit vielen angeschliffenen Tönen, recht verwaschen und enger Höhe singend enttäuscht. Aufhorchen lässt hingegen der junge Yasushi Hirano als Ferrando mit wohlklingendem Bariton. Solide singen Eva Maria Riedl als Ines und Christian Drescher als Ruiz. Der Chor, der von Thomas Böttcher gut einstudiert wurde, gerät vor allem in der ersten Hälfte immer wieder außer Tritt, singt jedoch sehr kraftvoll.

Enrico Dovico kann am Pult des Orchesters der Wiener Volksoper zwar recht solide und mit vielen Abstufungen punkten. Es wird jedoch viel zu verhalten und mit extrem breiten Tempi, manchmal regelrecht schleppend, musiziert. Was vor allem abgeht, ist der zündende Funke, die Dramatik und der Drive, unabdingbar für dieses Werk.

Am Ende gibt sich das Publikum überwiegend zufrieden und spendet wohlwollenden Applaus. Die Regie bekommt einige Buh-Rufe ab.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Barbara Pálffy