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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
18. Juni 2013
(Premiere am 13. Juni 2013)

Wiener Staatsoper


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Narkotisierender Klangkosmos

Blutrot färbt sich der riesige Mond und versinkt langsam im schwarzen Horizont, während Isolde mit wunderbar ergreifenden Tönen ihren Liebestod stirbt: Geprägt von immenser Symbolkraft, faszinierender Stimmung und großer Ästhetik erlebt man das Schlussbild beim neuen Tristan und Isolde von Richard Wagner an der Wiener Staatsoper.

Der Kreis hat sich geschlossen, denn zu den ersten Klängen des Vorspiels geht der Mond bereits hinter Nebelfetzen auf und bescheint, unterschiedlich gefärbt, überwiegend das gesamte Liebesdrama, dessen Ausstattung von Robert Jones stammt: Ein stilisiertes, drehbares Schiffsgerippe dominiert den ersten Akt, ein gewaltiger Mast mit beleuchteten Kranzspiralen den zweiten, ein verfallener Turm, der wie ein aufgeschichteter Steinhaufen aussieht, den dritten. Alles stimmungsvoll von Paule Constable ausgeleuchtet und auch mit den stilisierten, wallenden Kostümen immer der Ästhetik verhaftet. Nur kann David McVicar die geschaffenen Räume wenig mit Leben erfüllen. Denn Wagners Text bringt den schottischen Regisseur auf keine großen Ideen. Er führt die Protagonisten meist nur mit winzigen Gesten, ausdruckstarker Mimik und lässt diese zwar viele Gefühle zeigen. Insgesamt dominiert aber die Statik. Scheinbar soll eine Art Matrosenballett in der Choreographie von Andrew George eine gewisse Dynamik erzeugen, was aber mehr als entbehrlich erscheint. Und irgendwelche Deutungsversuche oder Reflexionen lässt er schon gar nicht aufkommen.

Musikalisch ist die Neuproduktion jedoch eine Wucht: Nina Stemme ist eine Weltklasse-Isolde mit beinahe konkurrenzloser Vollkommenheit. Wie die schwedische Sopranistin, die schon als Brünnhilde im Ring des Nibelungen an der Staatsoper kürzlich reüssierte, diese schwierige Partie gestaltet, ist ein Ereignis: Wie sie unerschöpfliche, emotionale Fassetten gestaltet, wie sie berührend ihre Phrasen ausformt, von feinster Lyrik bis zur dramatischen Wucht, wie unerschöpflich ihre Kraftreserven in strahlender Leuchtkraft erklingen, ist einfach sensationell, weswegen sie auch zum Schlussapplaus zu recht mit dem größten Jubel überschüttet wird. Peter Seiffert als Tristan teilt sich seine Kräfte sehr klug ein, sodass er auch seine Fieberträume im letzten Akt nach lautstark hörbar machen kann. Alle Spitzentöne sind da und wohlklingend gesungen. O sink hernieder, Nacht der Liebe: Das Liebesduett im zweiten Akt gerät zur edelsten Liedkultur und zum singulären Ereignis der beiden. Seifferts Wortdeutlichkeit ist exemplarisch, ebenso wie jene von Stephen Milling, der einen ungemein warmen und berührenden König Marke singt. Janina Baechle singt die Brangäne nicht immer ideal, vor allem mit einigen Höhen hat sie Schwierigkeiten, aber ihr Nachtgesang ist ätherisch schön. Jochen Schmeckenbecher ist ein viel zu lyrischer Kurnewal, weswegen er immer wieder forciert. Zudem muss er immer wieder kräftige Schlucke aus der Flasche nehmen und herumtorkeln. Ejiro Kai ist ein kerniger Melot, Carlos Osuna ein schönstimmiger Hirte, Marcus Pelz ein ebensolcher Steuermann. Der Chor des Hauses in der Einstudierung von Thomas Lang ist als klanggewaltiger, sehr homogener Körper zu erleben.

Entfesselnden Klangzauber und narkotisierenden Klangrausch von betörender Schönheit hört man aus dem Graben, den das Orchester der Wiener Staatsoper unter dem GMD Franz Welser-Möst entfacht. Mit feinsten Nuancen und Farbenreichtum, mit grandios aufgebauten Spannungstürmen bis zu eruptiven Ausbrüchen wird mit vollem Einsatz und Spielfreude musiziert, dass es eine Freude ist. Hin und wieder scheinen jedoch die Ekstase und das Temperament so überhand zu nehmen, dass die Sänger durch überbordende Lautstärke zugedeckt werden.

Mit riesigem Jubel und Ovationen bedankt sich das Publikum für die mitreißenden Leistungen.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Michael Pöhn