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Fakten zur Aufführung 

STAIRWAYS TO HEAVEN
(Dagmar Borrmann et al.)
15. März 2014
(Premiere am 31. Mai 2008)

Hessisches Staatstheater Wiesbaden


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Know-how für den letzten Cocktail

Aus dem Dunkel der schwarz abgehängten Bühne blinkt silbern eine Sense, die Sense, die das Ende bedeutet. Und auf dem Weg dahin befinden sich die Protagonisten, schräge Figuren, die der Song- und Schlagerwelt entsprungen scheinen. Aber so einfach lebt und stirbt es sich nicht – jedenfalls nicht im Theater, nicht in Wiesbaden.

Die Songs, die in dieser Aufführung zum 89. Mal gesungen werden, stammen aus den Charts von fünf Jahrzehnten und sind von dem hauseigenen Regie-und Musikerteam zu einem lockeren, nur im Hintergrund mit einem angedeuteten Handlungsfaden lose zusammengebundenen Melodien- und Songstrauss arrangiert. Hier, zwischen Himmel und Hölle in Wiesbaden, agieren die liebesenttäuschte Kriemhilde, Sidonie, eine schwarz unterkühlte Chinesin, Gottlieb aus Bielefeld, Holger aus der Tiefe der amerikanischen Prärie und der Rapper Mike. Florian Thunemann als Mike hat bald ein Rad ab und wird dann ratlos, lediglich der Teufel hat zwischen Himmel und Hölle noch den Durchblick, der den Zuschauern wegen überreichlichen Bühnennebels schon mal verloren geht. Die Sängerinnen und Sänger bringen Figuren auf die Bühne, in denen schräge Typen, überzeichnete Prototypen und so weiter lebendig werden – der Brauseschlauchproduzent aus Bielefeld, Murphy mit seinem galoppierenden Pferd aus den Ghost Riders , die Biene Maja und Mister Sandman werden ebenfalls verwurstet, selbst Bachs Sterbelied Komm, süßer Tod wird in dieser Inszenierung zur Persiflage. Die vierköpfige Band heizt dem Saal kräftig ein und bringt Stimmung, die von der Bohemien Rhapsody bis zur Rockoper Tommy reicht, flott und rhythmusstark. Die Stimmen der Sänger schaffen die Originale ohne Mühe. Mezzosopran Silvia Willecke startet als Kriemhilde ein wenig unsicher, Lissa Schwerms Sidonie bleibt rollengemäß kühl, überragend Florian Thunemanns authentischer Rapper und Wolfgang Böhm am Schlangenmikrofon – alles zusammen „Ein Kessel Buntes“. Ähnlichkeiten mit bekannt-beliebten Fernsehformaten sind unübersehbar und beabsichtigt, und nach einem etwas unterkühlten Start spielt sich das Ensemble warm, die Zuschauer gehen begeistert mit. Der Saal knausert nicht mit reichlich Beifall, vom Nummernbeifall bis zum wiederholten rhythmischen Klatschmarsch – Himmel oder Hölle?

Die Inszenierung des Theaters Wiesbaden hat inzwischen ihre eigene, spezielle Geschichte. Sie steht seit 2008 auf dem Spielplan und wird im April ihre 90. Aufführung erleben, wahrscheinlich wieder vor ausverkauftem Haus. Denn dieser Stairway hat seine Fangemeinde unter den Besuchern, von denen einige stolz von ihrem zehnten Besuch berichten. Sie erreicht ein altersmäßig durchmischtes Publikum, von dem viele ihren ersten Theaterbesuch erleben – dank eines locker-leichten Formates nahe an den Sehgewohnheiten im häuslichen Sessel. Ist das schon das „Abgefahrene“, das sich einige Besucher in Wiesbaden endlich mal wünschen? Verträgt das „seriöse“ Theater eine solche Inszenierung? Kann man so neues Publikum für das Theater gewinnen, wenn das vielleicht kein „Theater“ mehr ist? Kann ein Publikum eine Aufführung „kaputt“ klatschen? Wer will das entscheiden – die Künstler, der Regisseur, der Stadtkämmerer, der Kritiker … oder das Publikum selbst?

Horst Dichanz

Fotos: Lena Obst