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Fakten zur Aufführung 

MANON
(Jules Massenet)
21. Februar 2014
(Premiere am 3. März 2007)

Wiener Staatsoper


Points of Honor                      

Musik

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Wenig Zauber von zu vielen Pappfiguren

Im Gegensatz zu einem guten Rotwein ist die Inszenierung von Jules Massenets Manon an der Wiener Staatsoper aus dem Jahre 2007 über die letzten Jahre weder gereift noch besser geworden. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.

Denn Andrei Serban verlegt die Geschichte nach dem Buch vom Abbè Prevost ins Paris der Zwischenkriegszeit und zeigt ein dunkles Gangsterepos, in dem immer wieder mit Pistolen herumgefuchtelt wird und sonnenbebrillte Typen auftauchen. In der hässlichen, dunklen Kulisse mit billig wirkender, eher karger Ausstattung von Peter Pabst, etwa einem angedeuteten Bahnhof, einem Vergnügungsviertel mit vielen Spiegeln oder einem Kloster, sieht man verstärkt durch Videoprojektionen immer wieder aufgestellte Pappfiguren, die teils das Konterfei von tatsächlich mitspielenden Personen tragen und worunter sich immer wieder reale Protagonisten mischen. Dazu wird ständig künstlich völlig überflüssige Bewegung zum reinen Selbstzweck erzeugt. Da turnen Personen sinnlos herum, andere erstarren grundlos in ihren Bewegungen. Zudem gibt es viele lächerliche, verzettelnde Details und außer bei den Protagonisten keinerlei psychologische Deutung.

Inva Mula ist keine Anna Netrebko, die diese Partie bei der Premierenserie und auch 2010 exzeptionell gesungen wie auch szenisch umgesetzt hat und auf die die ursprüngliche Regie zugeschnitten war. Aber die aus Albanien stammende Sopranistin bewältigt die Rolle der kleinen Manon durchaus mit Anstand – weniger mit Glaubhaftigkeit. Denn nicht ideal gelingt ihr szenisch, die Wandlung des naiven, neugierigen Mädchens vom Lande zur mondänen Luxusdame in der Halbwelt von Paris zur Schau zu stellen: Es fehlt ihr an Koketterie, durchtriebener Laszivität und vor allem an verführerischer Erotik. Ungeschärft in der Höhe, mit makellosen Spitzentönen und großer Flexibilität, aber etwas zu wenig Volumen, ist ihr Gesang zu vernehmen.

Darunter leidet auch der für den erkrankten Ramón Vargas eingesprungene Koreaner Ho-yoon Chung, der noch stärker vom Orchester übertönt wird, was allerdings auch der Dirigent zu verantworten hat. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten weiß er jedoch mit seinem ausgesprochen schönen, aber kleinen Tenor schwärmerisch und poesievoll als Chevalier des Grieux zu überzeugen.

Das restliche Ensemble sowie der Chor der Staatsoper unter der Leitung von Thomas Lang, der bei seinen Auftritten in den Orchestergraben verbannt ist und dort bewegungslos verharren muss, weisen eigentlich nur wenige Schwachstellen auf: Da singt ganz besonders Markus Eiche einen schmierigen, mit seinem prachtvollen, noblen Bariton fast zu sympathischen Cousin Lescaut. Da hört man mit Dan Paul Dumitrescu einen edlen, warmstimmigen Grafen des Grieux. Da wirken Thomas Ebenstein als fast zu junger Guillot de Morfontaine und Clemens Unterreiner als Brétigny ideal schleimig. Gut singen auch Hila Fahima als Poussette, Lena Belkina als Javotte und Juliette Mars als Rosette, sie werden von der Regie zu regelrechten, isometrischen Übungen genötigt.

Etwas zu wenig feines, duftendes, französisches Parfum versprüht das Staatsopernorchester unter Frédéric Chaslin: Die gesamte dynamische Palette wird zwar durchaus nicht unspannend ausgelotet. Aber auf die Sänger nimmt er hinsichtlich ihrer Hörbarkeit zu wenig Rücksicht. Die verzehrenden Melodiebögen des im dritten Akt doch um einiges gekürzten Meisterwerkes werden mit zu wenig subtiler Intensität musiziert.

Das Publikum ist von den sängerischen Leistungen, nachdem der Zwischenapplaus nach den Arien und in der Pause doch eher matt ausfällt, zum Schluss recht angetan und beklatscht die Sänger doch reichlich, aber sehr kurz.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michael Pöhn