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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
11. November 2013
(Premiere am 19. September 1957)

Wiener Staatsoper


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Wille und Wollust

Hier wird Klassisches im mehrfachen Sinn geboten. Eine klassische, zurückgenommene Inszenierung, ein Klassiker des italienischen Faches mit der eingängigen Madama Butterfly von Giacomo Puccini und Klassik pur, dank einer Besetzung, die zu Teilen in die Geschichte eingehen könnte.

Wiens Inszenierungen sind für ihre historische Aufführungspraxis und der Bewahrung des alten Ausstattungstheaters bekannt. Hier werden Zeffirelli und Schenk noch ausgiebig gegeben wie gefeiert. Diese Butterfly stammt als einer dieser langlebigen Publikumsseufzer von Josef Gielen, der sich in seiner Inszenierung der kleinen Gesten eher in Richtung Zeffirelli denn Schenk bewegt, möchte man diese beiden Pole der großen historischen Opernregisseure aufmachen. Durch einen Fingerzeig, eine unendlich hinausgezögerte Umarmung oder lediglich ein kleines Licht, das auf der Bühne entzündet wird, zielt Gielens schnörkellose Interpretation – und das noch in der über 350-sten Vorstellung – auf das große Drama der Innerlichkeit ab, dass sich hinter dem Japandekor nicht nur im bissig zynischen Libretto abspielt. Die Komplettausstattung des Landsfachmannes Tsgouharu Foujita kommt dem entgegen. Ein fotorealistisches, wenngleich nicht verspieltes und nicht auf Effekt getrimmtes, japanisches Häuschen, ein – selten vollführter – Komplettumbau ins Interieur von Cio-Cio-Sans Wartehäuschen, das dezent mit einem leeren, europäischen Stuhl ihren Konflikt spiegelt. Mehr braucht es nicht. Diese alte Dame aus dem Jahr 1957 wirkt frischer und jugendlicher, als so mancher zehnjährige Konwitschny. Diese Regie- und Bühnenwirkung wird sich ebenso wie in den aufwändigen Kostümen auch bei Repertoirevorstellung 400 noch einstellen.

Hoffentlich dann auch noch mit dieser Cio-Cio-San. Ana María Martínez, die gefeierte Rusalka, gibt an diesem Abend ihr Rollendebüt an der Wiener Staatsoper. Vor der Pause vielleicht eine Spur angespannt, setzt sie noch auf Sicherheit. Erst im Duett taut sie auf. Nach der Pause entsteht pure Magie. Eine große Sopranistin, die mühelos zwischen den Höhen schweben kann, deren Töne im besten Sinne fließen, ohne eine Spur von Stütze erkennen zu lassen. Szenisch etwas steif, dafür mit einem gewissen Sinn für Komik macht diese Cio-Cio-San dank der Martínez einen wohl nachklingenden Punkt. Diesen hat Neil Shicoff bereits gesetzt. Hausveteran und mit spürbarer Rampenerfahrung zeigt er uns mit seinem Pinkerton einen wollüstigen cavaliere mit sanften Verführungsgesten und sich seiner Skrupel nicht immer sicher. Ähnlich wie bei anderen späteren Tenören, etwa bei Peter Seiffert, gleicht er die natürlich nachlassende Kraftgewalt mit lyrischem Timbre, Technik und Gefühl aus. Nicht die Yankee-Erzählung, nicht die Rückkehr machen seine Interpretation aus, sondern die sanften Anteile des Liebesduetts in gepaarter Perfektion. Mehr Winterstürme als Wälserufe halt. Hilfreich dabei die junge, bezaubernde Alisa Kolosova als Suzuki, die ein ebenso bravuröses Debüt hinlegt wie der tongewaltige Gabriel Bermúdez als Sharpless.

Der Clou dieser Butterfly liegt – dank Martínez und Shicoff – im sichtbaren Ringen zwischen männlicher, alles andere hintergehender Wollust und dem starken Willen einer Frau, ihrer Rolle zu entsprechen und daran zu zerbrechen.

Diese Wirkung erreicht die Staatsoper an diesem Abend natürlich nicht nur vom perfektionsverwöhnten Orchester der Oper und dem großartigen (Damen-)Chor, der unter Martin Schebesta den selbst unter gestandenen Sopranistinnen gefürchteten Summchor in vollendeter Schönheit leise ertönen lässt, sondern vom prominenten Pult. Ehrenmitglied Placido Domingo, der in seiner langen Karriere am Haus mittlerweile auch auf eine beachtliche Dirigatsliste, vor allem von Verdi, zurückblicken kann, hat das Auditorium im Griff. Die Vorschusslorbeeren einlösend, packt er Puccini bereits im schwierigen Fugato des Vorspiels da, wo er hingehört: Ins punktiert Dramatische. Dieser Dirigent inszeniert mit. Die Geschwindigkeit bei Butterflys Hochzeitsauftritt bereitet ihr einen Auftritt, den man sich als Sopranistin nur wünschen kann. Er verkörpert Martínez mit dem Orchester faktisch als Sinnbild trauriger Liebe. Eruptiv brodelt es später aus dem Graben, freihändig, dramatisch, effektvoll. Man spürt die lange gemeinsame Strecke von Puccini und Domingo, als wolle er hinaufsteigen und den Pinkerton gleich noch mitnehmen, wäre er nicht da angekommen, wo er eine große Berufung gefunden hat: als Dramaturg am Pult. Hoffentlich für vierzig weitere Butterflys. Dann ist die Besetzung vielleicht so klassisch wie diese, im besten Sinne klassische Inszenierung. Denn das funktioniert noch in der Oper. Die Reaktionen im Publikum: Begeisterung. Ovationen.

Andreas M. Bräu

Fotos: Michael Pöhn