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Fakten zur Aufführung 

I DUE FOSCARI
(Giuseppe Verdi)
27. Januar 2014
(Premiere am 15. Januar 2014)

Theater an der Wien


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Grausamer venezianischer Machtkampf

An der Musik kann es nicht liegen, dass Giuseppe Verdis I due Foscari so selten aufgeführt wird. Denn diese ist durchaus mitreißend und glutvoll, weist auch einige schöne Arien, Ensemble- wie auch Chorszenen auf. Der Grund für die raren Aufführungsmomente von Verdis sechster Oper, die 1844 in Rom uraufgeführt wurde, dürfte das wenig geglückte Libretto von Francesco Maria Piave sein, das auf dem gleichnamigen Drama von Lord Byron basiert, in dem sich politisches Unglück mit menschlichem paart. Denn die Handlung vom venezianischen Dogen, der seinen Amtseid über alles stellt und seinen eigenen Sohn wegen des später sich nicht bestätigten Mordverdachts in die Verbannung schickt, was zum Tod beider führt, ist zum einem recht verzwickt und zum anderen eindimensional und ohne dramatische Höhepunkte. Zudem gibt es wenig Raum für hellere oder gar freundliche Szenen.

Diesen Schwächen müsste man mit einem überlegten Regiekonzept begegnen. Das gelingt Thaddeus Strassberger nicht einmal ansatzweise. Diese Inszenierung, die aus Los Angeles stammt und über Valencia jetzt in Wien Station macht, bevor sie in London zu sehen sein wird, dürfte voll auf den amerikanischen Geschmack zugeschnitten sein. Deshalb wirkt sie gerade im experimentierfreudigen Theater an der Wien besonders verzopft und altmodisch. Dazu tragen die teils seltsam anmutenden, historischen Kostüme von Mattie Ullrich ebenso bei wie das düstere Venedig bei, anzusehen in einer Ruinen-Einheitskulisse, einer Art Stützmauer von Kevin Knight mit einer „Seufzer“- Brücke, die sich in ihrer Hässlichkeit auch ganz gut als Folterkammer eignet. Und darin werden bloß ideenarme, konventionelle, lähmende Arrangements ermöglicht. Da helfen auch nicht die zu Beginn und bei den Umbauten heruntergelassenen Prospekte mit Wellenprojektionen, die immer mit dunkler Flüssigkeit symbolhaft geschwärzt werden. Oder die grausigen Folterszenen mit ausgemergelten Gefangenen in hochgezogenen Metallkäfigen, wie Waterboarding, Strecken oder Fingerabhacken.

Die Produktion steht und fällt mit einem Namen: Plácido Domingo. Der ist wahrlich ein Phänomen. Mit seinen 72 Jahren hat er sich die 142. (!) Opernrolle angeeignet. Längst ist der Ausnahmesänger nicht mehr im Tenorfach, sondern als Bariton unterwegs. Und so spielt und singt er den alten, leidenden schwächlichen Dogen Francesco Foscari, der seinen Sohn opfert, mit der ihm eigenen Intensität und ungeheuren Bühnenpräsenz, die ihresgleichen sucht. Staunen macht noch immer sein samtiges Timbre in der Mittellage und seine ungeheure Stahlkraft bei den emotionalen Ausbrüchen. Er ist und bleibt wie immer ein Ereignis und wird auch am meisten bejubelt. Leider fallen seine Mitstreiter gehörig ab. Zwar verfügt Arturo Chácon-Cruz als sein Sohn Jacopo Foscari über ein ansprechendes, angenehmes Timbre. Aber er setzt seinen Tenor viel zu undifferenziert ein und singt beinahe im Einheitsforte. Davinia Rodriguez weiß als dessen Frau Lucrezia am ehesten in ihren wütenden, dramatischen Attacken zu überzeugen, sonst klingt ihr Sopran strapaziert und recht scharf. In der kleinen Rolle des Intriganten Jacopo Loredano singt Roberto Tagliavini mit mächtigem, wohlklingendem Bass. Vielfach zu laut aber sonst wie immer sehr verlässlich hört man den Arnold-Schönberg-Chor.

Der das alles zulässt, steht am Pult des ORF-Radio-Symphonieorchesters Wien. Denn der ebenfalls aus Los Angeles mitgekommene, dortige Musikdirektor James Colon liebt offenbar das Knallige und Effektvolle. Er vergisst aber dabei vielfach die Raffinesse und den Farbenreichtum der Partitur.

Großer Jubel für alle und stehende Ovationen für den Star des Abends: Plácido Domingo.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Herwig Prammer