Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LA CENERENTOLA
(Gioachino Rossini)
25. November 2013
(Erstaufführung)

Theater an der Wien, Kammeroper


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Wenn der Erzähler zu viel klatscht

Der Name irritiert: Eine Kammeroper hat die Stadt Wien nicht mehr. Was es noch gibt, ist die Spielstätte in der Nähe des Stephansdoms im Hotel Post. Die wird vom Theater an der Wien in Eigenregie weiterbetrieben und bevorzugt vom „Jungen Ensemble“ bespielt. Das ist das Opernstudio des Theaters an der Wien unter dem Künstlerischen Leiter Sebastian Schwarz, in dem Nachwuchs-Sängerinnen und -Sänger sich auf den Berufsalltag vorbereiten können.

Die neueste Produktion heißt zwar La Cenerentola, hat aber mit dem Dramma giocoso von Gioachino Rossini nur indirekt zu tun. Die Aufgabe für Jasmin Solfaghari und Dirigent Chudovsky lautete, eine „kindgerechte“ Fassung zu schaffen, in der Rezitative gestrichen und durch einen Erzähler ersetzt werden sollen. Darüber kann man diskutieren, einen Versuch ist es allemal wert. Viel beachtet wird er jedenfalls. Der Saal ist voll. Gespannte Erwartung liegt in der Luft.

Regisseurin Solfaghari hat weniger ein Dramma giocoso, sondern mehr eine Komödie im Sinn. Petra Reinhardt hat die dazu passenden Kostüme geschaffen, wenn auch nicht bis ins Detail durchdacht. Wenn Don Ramiro und Dandini ihre Rollen tauschen, trägt der Diener ein „witziges“ Prinzenoutfit: Schwarzer Anzug mit Capri-Hosen, aus denen lilafarbene Strümpfe hervorlugen. Dazu gibt es ein lilafarbenes Hemd, lilafarbene Handschuhe und eine Brille mit lilafarben getönten Gläsern. Applikationen wie reiches Kordelwerk, ein Halstuch, Orden und eine angedeutete Schärpe in Weiß. Als es zum erneuten Rollentausch kommt, trägt Don Ramiro eine lilafarbene Schärpe zum bevorstehenden freudigen Ereignis der Hochzeit. Lilafarbene Schärpen werden in Italien allerdings ausschließlich zu Beerdigungen getragen. Solcherlei Ungereimtheiten gibt es die eine oder andere, ohne dass das sonderlich ins Gewicht fiele. Bei der Detailfreude der Regie fragt man sich, ob wirklich alles notwendig ist. Schwieriger wird es bei Herrn Luna, der, neu im Stück etabliert, vom Mond herabsteigt, um sich Opern anzuschauen. So zeigt er gleich, welche Bedeutung Opern haben. Sehr schön, so weit. Im Laufe des Stücks entwickelt er sich zum – redundanten – Conférencier, der das Stück eher in die Länge zieht, anstatt es zusammenzuhalten. Wenn er dann allerdings dem Publikum den Applaus vorgibt, wird es grenzwertig. Schauspieler, die Applaus einfordern, hinterlassen immer ein Geschmäckle. Auch eindeutige erotische Posen mögen zwar eine Komödie beflügeln, haben dann mit einer Kinderfassung aber nicht mehr unbedingt zu tun. Ansonsten gefällt der Fantasiereichtum aller Beteiligten. Reinhardt gibt den bösen Schwestern Hüte, die nicht nur charakterisieren, sondern an sich schon Blickfang sind – und mit denen sich auch noch allerhand anfangen lässt.

Eine Menge kann man auch mit der Personenführung Solfagharis anfangen. Hier ist, abgesehen von den Momenten der freezing frames, immerzu Bewegung im Spiel, und nur selten frieren die Sängerinnen und Sänger an der Rampe ein. Stattdessen beziehen sie den gesamten Raum mit ein, was bei einer vergleichsweise kleinen Bühne Sinn macht und dem Publikum gefällt. Mark Gläser schafft dazu ein durchdachtes Bühnenbild, das einerseits eine alte, heruntergekommene Schlossfassade und andererseits das Schlossinnere mit hohen Wänden zeigt. Spiegel schaffen dabei räumliche Erweiterung, die Stellung der Wände erweitert die Dimensionen. Das ist wirklich intelligent gemacht. Viel eingefallen ist auch Franz Tscheck. Der ist für das Licht verantwortlich und sorgt damit mächtig für Stimmung. Besonders die Gewitterszene gelingt ihm mit vergleichsweise kleinen Mitteln eindrucksvoll. Insgesamt entsteht in dieser Inszenierung keinen Moment der Eindruck des Kleinklein, sondern ständig das Gefühl, das Theater Rossinis zu erleben.

Dazu tragen auch Sänger und Erzähler ihren Teil bei. Gaia Petrone bekommt als Angelina ihren Titelrollenbonus. Bei näherer Betrachtung darf sie sich über die kleine Akustik freuen. Jungtenor Andrew Owens klingt als Don Ramiro an diesem Abend nicht schön. In den Höhen etwas schrill, forciert er unnötig in den Texten, verzichtet auf Schmelz und Verbindung, was vielleicht witzig wirken soll, aber eher aufdringlich ankommt. Ganz anders sein Diener Dandini. Bariton Ben Connor singt wunderschön abgerundet, satt. Das macht Spaß. Viel Freude bereitet auch Igor Bakan, der sich mit einer Erkältung ansagen lässt. Trotzdem singt er aus. Und trotz der belegten Stimme begeistert er als Don Magnifico und Alidoro. Ob er sich selber damit einen Gefallen getan hat, weiß man nicht. Gan-ya Ben-gur Akselrod bekommt als Clorinda eine verdiente Zusatzarie, mit der sie dem Publikum ihren vielversprechenden Sopran zeigen kann. Weniger überzeugend, aber das mag auch an der eher kleinen Rolle liegen, wirkt Natalia Kawalek-Plewniak als Tisbe. Da fehlt es noch an persönlichem Profil. Was allen Solisten des Abends gemein ist, ist die Spielfreude. Selbst der schwer angeschlagene Bakan lässt sich die Schrullen des Magnifico nicht nehmen. Und das ist vielleicht das größte Plus des Abends. Alexander Waechter in der Rolle des Erzählers Luna überzeugt ebenfalls. Sehr souverän, mit herrlichen Betonungen und dem lebenserfahrenen Sinn für den leisen Humor trägt er die Zwischentexte vor, als habe es nie eine andere Fassung der Oper gegeben. Puristen werden sich vermutlich trotzdem die Fußnägel aufrollen. Aber es ist ja auch nicht die Aufgabe, den Spaßverderbern einen vergnüglichen Abend zu bereiten.

Das Wiener Kammerorchester tritt mit 21 Musikern an, kann aber seine Wirkung im Saal nur bedingt entfalten. Obwohl Konstantin Chudovsky mit unglaublichem Engagement und Einsatz Sänger und Musiker gleichermaßen im Blick hat, klingt die Musik im Ergebnis eher etwas dumpf. Die Luzidität der Rossinischen Musik will sich hier nicht einstellen. Da bleibt es dann Kammeroper. Das ist schade, weil die Wirkung der Musik damit hinter den Leistungen des Orchesters zurück bleibt.

So gar nicht zurückhalten will sich das Publikum. Es feiert alle Beteiligten überschwänglich. Wenn man sich bei Opernstudios in anderen Städten schon mal ein wenig über das Gönnerhafte des Applauses ärgern kann, ist hier die frenetische Feier der Akteure die wahre Freude. Auch so kann man mit Nachwuchs umgehen.

Michael S. Zerban

Fotos: Armin Bardel