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Fakten zur Aufführung 

LA CENERENTOLA
(Gioachino Rossini)
11. Juni 2013
(Premiere am 26. Januar 2013)

Wiener Staatsoper


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Schaumgebremste Spritzigkeit

Man schreibt das Jahr 1950. In der Landesfahne eines fiktiven Kleinstaates mit den italienischen Farben prangt eine Sichel, aber kein Hammer, sondern stattdessen ein Hummer. Das Miniherzogtum nennt sich San Sogno. Ein Name, der sich auch auf den Autokennzeichen der vier eleganten Oldtimer findet, die der Prinz und Regent offenbar sammelt und in einem Autosalon ausstellt.

So ist zumindest die heutige, humorvolle Sicht von Sven-Eric Bechtolf auf Gioachino Rossinis Meisterwerk La Cenerentola, der berühmten Opernversion von Aschenbrödel an der Wiener Staatsoper. Und er würzt Rossinis letzte Opera buffa, eine Komödie mit Elementen des Zauberspiels, aber auch mit tragischen Schlaglichtern, eine Parabel, in der alle von einer Person, dem Philosophen Alidoro, dem Gegenstück des Don Alfonso aus Così fan tutte, gelenkt werden, mit einer Reihe köstlicher, aber auch weniger gelungener Gags wie auch unbeschwerter Komik in den vielen Verwechslungs- und Verkleidungsszenen. Der deutsche Regisseur persifliert den Stoff gekonnt, spart aber auch nicht mit teils billigen Italien-Klischees. Wenn etwa eine hübsche Gelati-Lady von einem Fahrrad auf einem Eiswagen sitzend hereinkutschiert und vom Männerchor angehimmelt wird und diesen dann mit Unmengen von Tüteneis versorgt. Oder wenn die Choristen, von denen einige in Frauenkostümen stecken, wie Typen aussehen, die aus einem Don-Camillo-und-Peppone-Film stammen könnten und einen regelrechten Eistanz aufführen.

Die Szene ist fast immer lebendig. Nur zeitweise mangelt es etwas an Bewegungsfantasie. Mit Modemagazinen und Schönheitserhalt unter Trockenhauben beschäftigten sich in erster Linie die Stiefschwestern, die aus einer TV-Sendung wie Italian’s next Topmodel stammen könnten. Gelegentlich sind auch zauberhafte Elemente erkennbar, wenn etwa die tote Mutter als lebendig werdendes Bildnis den Brautstrauß auf die Bühne wirft, den der Prinz dann gleich seiner Angebeteten überreicht. Bechtolfs Kunst beruht auf der Fertigkeit, das Handlungsgetriebe einer Oper durch psychologische Feinmechanik zu befeuern. Und all dies lässt sich in durchaus geschmackvoller, aber umbauintensiver Szenerie von Rolf und Marianne Glittenberg ansehen.

Im überwiegend jungen Ensemble singt Rachel Frenkel die Titelheldin Angelina wunderbar mädchenhaft und mit höchsten Koloraturansprüchen. Dmitry Korchak ist der auf Brautschau gehende, fesche Prinz Don Ramiro, mit schönem, hellen, lyrischen Tenor ausgestattet und ohne geringste Mühe mit den hohen C’s, die beinahe im Dutzend zu liefern sind. Der Bariton von Vito Priante, seines gekonnt hochstapelnden Kammerdieners Dandini, der beim ersten Erscheinen wie ein italienischer Schnulzensänger auftritt, klingt kernig, agil und geschmeidig. Der Philosoph Alidoro wird mit weichem, schon etwas reifen Bass von Michele Pertusi verkörpert. Ebenso mit reifem Spielbass ausgestattet ist Alessandro Corbelli als präsenter, urkomischer, schlitzohriger Stiefvater Don Magnifico anstelle der sonst im Märchen auftauchenden bösen Stiefmutter. Seine beiden stimmlich quirligen und wendigen Töchter sind Valentina Nafornita als Clorinda und Margarita Gritskova als Tisbe, beide eine Augenweide. Der Männerchor des Hauses ist wieder einmal von Martin Schebesta in gewohnt professioneller Weise einstudiert worden.

Jesús López-Cobos lässt solide und wenig impulsreich die feinfühlige Partitur im Orchester der Wiener Staatsoper schnurrend ablaufen, beinahe wie ein Uhrwerk, und begleitet die Sänger, sieht man von einigen allzu lauten Stellen ab, gekonnt und umsichtig. Was jedoch teilweise auf der Strecke bleibt, ist die gewünschte Rossinische Spritzigkeit, die virtuose Leichtigkeit, jene Funken oder zumindest Akzente, die ansonsten so mitreißend wirken.

Uneingeschränkte Zustimmung und Jubel erlebt man nichtsdestotrotz zum finalen Applaus im Publikum.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Michael Pöhn