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Fakten zur Aufführung 

LA BOHÈME
(Giacomo Puccini)
19. April 2013
(Premiere 1963)

Wiener Staatsoper


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So schön kann das Sterben sein

Es ist tatsächlich die unglaubliche 399. Aufführung in dieser Inszenierung! Es ist nun einmal eine althergebrachte Tradition an der Wiener Staatsoper, vom Publikum geliebte Produktionen nicht nur über Jahre, sondern über Jahrzehnte auf dem Spielplan zu lassen und immer wieder aufzuführen. So auch Giacomo Puccinis Verismo-Edelreißer La Bohème. Diese Uralt-Inszenierung von Altmeister Franco Zeffirelli, er zeichnet auch für die Bühnenbilder verantwortlich, stammt gar aus 1963 und feiert heuer somit ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Naturgemäß ist sie rein traditionell konzeptioniert, schon ziemlich in die Jahre gekommen und hat auch schon etwas Staub angesetzt. Aber sie beeindruckt nicht nur konservative Opernfreunde immer noch mit ihrem ästhetischen Realismus, mit der armseligen, aber stimmigen Mansardenwohnung, dem stimmungsvollen, kalten, schneeverwehten dritten Akt und vor allem in der auf zwei Ebenen aufgeteilten Szenerie des Cafe Momus im zweiten Akt, die wieder einmal Szenenapplaus provoziert. Gerade hier erweist sich Zeffirelli immer noch als Meister von opulenten, farbenfrohen Bildern und der eleganten und gekonnten Personenführung bei den Massenszenen. Marcel Escoffier sorgt für die traditionellen Kostüme der damaligen Zeit. Naturgemäß spielt bei dieser Wiederaufnahme jeder der Protagonisten seinen Part nach seinen Fähigkeiten: Diese sind voll Vitalität, voll tiefer Emotionen und lassen das armselige Leben der Bohemiens in Paris und besonders das sukzessive Sterben der armen Mimi so richtig zu Herzen gehen.

„Mimi, Mimi!“, wenn Rodolfo im Schlussbild seinen Schmerz und seine Verzweiflung über den Verlust seiner Geliebten hinausschreit, bliebt beim Publikum kein Auge trocken. Nach seinem Erfolg in derselben Oper beim letzten Salzburger Festspielsommer mit Anna Netrebko kann Piotr Beczala nun auch bei der Wiederaufnahme an der Wiener Staatsoper begeistern. Sein Dichter ist von großer Leidenschaft geprägt, gepaart mit einem schmelzigen, wunderbar gefärbten Tenor mit allen Spitzentönen. Beckmesserisch könnte man vielleicht anmerken, dass der eine oder andere davon anfänglich etwas angestrengt klingt.

Ihm zur Seite: Kristine Opolais. Sie ist eine Mimi, die Naivität, Innigkeit und Liebreiz verströmt und wird vom Dirigentengatten Andris Nelsons besonders behutsam durch den Abend getragen. Marco Caria singt einen edlen und warmen Marcello, Dan Paul Dumitrescu einen noblen, nachdenklichen Colline. Eijiro Kai ist ein warmstimmiger Schaunard. Anita Hartig ist eine sehr kokette, spitze Musetta und streicht viele Nuancen der Figur heraus. Auch der Chor in der Einstudierung von Thomas Lang und die kleinen Partien sind rollendeckend besetzt. Allen voran der unverwüstliche, köstliche Alfred Sramek sowohl in der Rolle des Benoit als auch des Alcindoro.

Andris Nelsons zeigt am Pult des bestens disponierten und sehr spielfreudigen Orchesters der Wiener Staatsoper einmal mehr, wie durch suggestive und energiegeladene Zeichengebung aufregendes, fassettenreiches und spannungsgeladenes Musizieren möglich ist. Der lettische Dirigent liebt es besonders, die dynamische und emotionale Palette der Partitur extrem auszureizen.

Schon während der Aufführung wurden immer wieder die Arien heftigst beklatscht und bejubelt. Zum Finale gibt es dann minutenlange standing ovations.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Michael Pöhn