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Fakten zur Aufführung 

UN BALLO IN MASCHERA
(Giuseppe Verdi)
10. November 2013
(Premiere am 5. Mai 1986)

Wiener Staatsoper


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Papiertheater

Er hat kurz einmal bei den Kollegen vorbeigeschaut. Bevor Alt- und Großmeister Placido Domingo selbst für die Butterfly den Wiener Graben besteigt, besucht der Dirigent den ersten Akt vom Un Ballo in Maschera. Was er zu sehen bekommt, dürfte ihm bekannt vorkommen. Denn die klassische Inszenierung aus dem Jahr 1986 wird in Wien mittlerweile zur 82. Aufführung gebracht und bildet den fünfthäufigsten Verdi am Haus. Das sieht man diesem Maskenball an. Regisseur Gianfranco de Bosio gibt das unzensierte Verdi-Orginal, das nicht in Boston sondern im barocken Stockholm zu verorten ist. Eine Einladung für große Ausstattung. Mit historistischem Eifer, viel Perücke und Robe blenden den Zuschauer die aufwändigen Kostüme von Santuzza Cali, die sie bis zum großen Maskenopernball zum Finale hin nochmals gekonnt steigert. Ebenso verfährt Bühnenbildner Emanuele Luzzati mit einer Art von barocker Papierbühne. Schicht für Schicht bemalte Pappkulisse hebt und senkt sich, um die Posterleinwand für das wenige Bühnengeschehen zu liefern. Mit einer solchen Perfektion und Ernsthaftigkeit ist diese Großleistung der Wiener Bühnenmaler ausgeführt, dass sie genau zehn Jahre nach Chéreaus Ring allerdings nur als anachronistisch zu bezeichnen ist. Ebenso die sehr statische Personenregie. Rampenarien und zurückgenommene Gestik, den Rest machen die Kulissenschieber. Man könnte diesen Maskenball auch „konzertant in barockem Dekor“ nennen. Nicht nur die Papierwände erzeugen dabei eine gewisse Zweidimensionalität, die durch das funzlige Licht von Rudolf Fischer nur noch gesteigert wird.

Umso wichtiger die Musik. Das Orchester der Wiener Staatsoper leitet an diesem Abend Jesús López-Cobos, Fachmann fürs Italienische und versiert in seiner Interpretation. Entkommt ihm bei diesem verspielteren Verdi der Schachtelteufel im ersten marschlastigen Akt noch ein paar Mal, so sitzt dieser im romantisch gedeckelten, zweiten Akt sicher in seiner passgenauen Kiste, um erst zum Finale Ultimo schockgenau wieder freigelassen zu werden. Wenn etwa im dritten Akt die Hörner leise das Liebesmotiv aufgreifen, überzeugt der Spanier eindringlicher als in der anschwellenden Ouvertüre, eben in den leiseren Verdimomenten.

Den König gibt der Hausheld und mittlerweile Kammersänger Ramón Vargas. Ein Höhentenor mit enormer Strahlkraft, der in den tieferen Lagen dafür etwas dünner wird, jedoch alle Schmettermuskeln wohl portioniert, um präzise zu punkten. An seiner Seite die indisponierte Sondra Radvanovsky, der man von einer Erkältung bis knapp vor das C nichts anmerkt, die dafür eine einfühlsame Amelia interpretiert, Farben der Figur heraushört und ihren Ruf als Met-Tosca und -Norma deutlich unterstreicht. Daneben überzeugt, als versteckter Gewinner des Abends, der vielseitige Glanzbariton von George Petean als René. Sein erster Germont am Haus wird eine Wonne sein. Ebenso wie man sich die Hauskraft Valentina Nafornita nur als Fledermausadele wünschen kann, so keck und verspielt kokettiert sich ihre beachtliche Stimme in der Hosenrolle Oscar in die Wiener Herzen. Ähnlich natürlich wie der brillante Uhrwerkschor unter Thomas Lang, der das Haus, wär er nicht so gut im Zügel, auch aussingen könnte. Der vielleicht beste Opernchor eines klassischen Hauses. Der Applaus feiert seine Helden und goutiert Vargas‘ Präsenz, Peteans außergewöhnliche Stimme ebenso wie Radvanovskys gelungene Anstrengung.

Das hört Domingo nicht mehr. Er verlässt frühzeitig den Ball vor seinem Butterfly-Auftritt. Die Inszenierung kann ihm ohnehin nicht viel mehr Neues zeigen. Die Radvanovsky im Duett mit Petean jedoch hätte dem neuerlichen Bariton ausgesprochen gefallen.

Andreas M. Bräu

Fotos: Michael Pöhn