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Fakten zur Aufführung 

ADRIANA LECOUVREUR
(Francesco Cilèa)
22. Februar 2014
(Premiere am 16. Februar 2014)

Wiener Staatsoper


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Der Krieg der Primadonnen

Eigentlich ist es schwer nachvollziehbar, warum eine Oper wie Adriana Lecouvreur von Francesco Cilèa bisher noch nie an der Wiener Staatsoper gespielt wurde. An der Musik kann es nicht liegen, dass der Verismo-Edelreißer erst 112 Jahre nach der Uraufführung in Mailand jetzt im Haus am Ring erstmalig gezeigt wird. Zwar hat der italienische Komponist außer dieser Oper bei immerhin fünf Opern insgesamt keinen weiteren musikdramatischen Erfolg liefern können. Aber dieses Werk sprüht nur so von eingängigen Melodien, einige Arien haben auch durchaus Ohrwurmcharakter, sind voll schimmernder Lyrik und Leitmotiven, die das Geschehen zart durchziehen wie auch von donnernder Dramatik. Wahrscheinlich liegt es doch eher am Libretto von Arturo Colautti, dem ein Stoff von Eugéne Scribe zugrunde liegt, mit der schwer nachvollziehenden Brief-Intrige oder der heute kaum glaubhaften Ermordung durch giftverseuchte Veilchen. Dazu haben außer den beiden um den gleichen Mann kämpfenden Rivalinnen, die Titelheldin und die Fürstin Bouillon, weder der gemeinsame Liebhaber Maurizio, Graf Moritz von Sachsen, wie auch der Fürst Bouillon noch der alte, die Schauspielerin schon ewig liebende Inspizient Michonnet ein echtes Profil. Aber immerhin setzt das Dreiecksverhältnis rund um die Diva packende, dramatische Effekte frei.

Das gelingt auch David McVicar durchaus mit seiner detailverliebten, auch bei den Nebendarstellern und Statisten genau gearbeiteten, mit vielen Symbolen angereicherten Personenführung darzustellen. Natürlich wirkt vieles durch die historisierte Ausstattung nach dem heutigen Geschmack „gestrig“: Etwa die prunkvolle, an der Grenze zum Kitsch vorbeischrammende Theaterbühne oder das luxuriöse Landpalais, ausgedacht von Charles Edwards, aber auch die geradezu prachtvollen, üppigen Roben von Brigitte Reiffenstuel. In dieser Rokoko-Ausstattung, die unwillkürlich an eine alte Inszenierung von Strauss‘ Rosenkavalier erinnert, wuseln die Livrierten herum, da wogen die Reifröcke, da wackeln die Fächer. Dazu passt auch das kurze Ballett, wie es Andrew George gestaltet hat. Da es sich um eine Übernahme aus London aus 2010 handelt, die auch schon auf einer DVD verewigt wurde und die man auf hiesige Bühne gehievt hat, ist klar, was einen erwartet. Es ist eine Ausstattung und Regie, die sich der Star des Abends, Angela Gheorghiu, die die Titelpartie verkörpert, gewünscht hat. Insgesamt haben sich fünf Häuser für diese Produktion zusammengetan. Und man sollte bei der heutigen Geschmacks- und Meinungsvielfalt auch solche Inszenierungen akzeptieren, wenn sie gut gearbeitet und nachvollziehbar sind.

Adriana, eine historische Figur aus der Voltaire-Zeit, ist eine hübsche Primadonna der Schauspielbühne. Angela Gheorghiu ist eine hübsche Primadonna der Opernbühne, die diese Partie geradezu ideal verkörpert. Da sitzt jede noch so kleine Geste, da verzeiht man ihr durchaus auch kleine Manieriertheiten, die für diese Partie eigentlich sogar passen. Sie wird zum mädchenhaften Wesen, das in eine Traumwelt eintaucht und zwischen realem Leben und Schauspiel nicht immer zu unterscheiden weiß. Bestechend sind ihre Pianissimi und auch ihr berühmtes Mezzavoce, oft so leise, dass sie trotz des bis zur Grenze der Wahrnehmbarkeit gedrosselten Orchesters kaum noch hörbar sind. Bestechend ist ihre nach wie vor makellose Technik, ihr Legato, all ihre Spitzentöne und ihre hohe musikalische Sensibilität. Ihre lange Sterbeszene weiß sie mit vielen, zarten Schattierungen zum Schluss völlig entrückt voll auszukosten. Eine prächtige Bühnenerscheinung mit enormer Präsenz ist bei ihrem Staatsoperndebüt auch Elena Zhidkova als ihre Rivalin. Sie singt die Fürstin Bouillon mit dunklem Mezzo. Die dramatische Wucht ihrer Töne verschmilzt mit nie bröckelnder Klangfülle. Darstellerisch eher statisch, kann sie noch an der Rolle feilen. Auch Massimo Giordano als Maurizio sollte man sein allzu hölzernes Gehabe austreiben. Kraftvoll und ungefährdet sind jedenfalls seine Spitzentöne. Es fehlt jedoch sonst etwas an Ausgeglichenheit, Schönklang und geschmeidigen Linien. Roberto Frontali als verliebter Michonnet wirkt auch von der Regie eher alleingelassen, singt aber sehr kraftvoll und kernig. Er ist der Ruhepol des Geschehens und stets anwesender freundschaftlicher Halt für die Primadonna. Vom übrigen, reich besetzten Ensemble gefallen noch Raúl Giménez als intriganter Abate mit schön geführtem Tenor, wie auch Alexandru Moisiuc als stimmgewaltiger Fürst.

Reich aufgefächert hat Evelino Pidó die reizvollen Klangfarben der vielschichtigen Partitur im Staatsopernorchester. Da ist Platz für Lyrik, Ironie und Dramatik. Nur gelegentlich werden die Emotionen zu hitzig, und der Phonpegel wird etwas überzogen.

Am Ende überschlägt sich das Publikum mit Jubel für die beiden Damen, von denen allerdings Zhidkova hörbar mehr abbekommt. Bei der Premiere gab es einige Buhs für die Regie.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michael Pöhn