„I can’t resist“
Jan Hendrik Neiderts Bühne – umsäumt vom später brechenden Goldrahmen – lässt mit ihrem vagen Romantik-Wald schon zu Anfang ahnen, worum es geht: Die Zerstörung der Pseudo-Idylle durch die „magic bullets“! Die Figuren agieren auf einem Laufband (wie im italienischen Marionetten-Theater), tauchen aus dem nebulösen Wald auf - in Romantik karikierenden Kostümen von Lorena Diaz Stephens.
Caroline Stolz inszeniert dieses Nicht-Widerstehen-Können gegenüber „magischen“ Angeboten mit kalkulierten Slapstick-Effekten, verweist diffizil auf Webers Freischütz – lässt die leidenden Personen in ihrer Verlorenheit nicht allein, vermittelt Konstellationen bewegenden Mit-Leidens! Die Waits-Songs werden in die Handlung als Highlights integriert.
Ernst August Klötzke dirigiert sieben Musiker mit einem Dutzend Instrumenten zu einer inspirierenden Begleitung der Akteure – hoch präzise mit den punktgenauen „Geräusch“-Elementen!
Das Wiesbadener Schauspiel-Ensemble wird mit den gesanglichen Herausforderungen brillant fertig: Michael von Bennigsen als skurriler Bote, Martin Müller als Wilhelms ambivalenter Onkel. Tobias Randels Robert vermittelt kalkulierte Brutalität; Michael von Burg mit hinreißender Fistel-Stimme als gnomenhafter Erbförster Kuno, Stefanie Hellmann als Käthchens Mutter mit affektierter Attitüde, Benjamin Krämer-Jenster als Förster Betram mit ironiert-martialischen Auftritten. Wolfgang Böhm gibt den spießigen Wilhelm, geradezu besessen von dem magischen Beistand. Friederike Ott wird als „kesse Braut“ zum Opfer des unbegriffenen Wahns – stimmlich sensibel, wird sie zum Inbegriff weiblicher Passivität.
Franziska Werner ist als zynisch moderierender „Stelzfuß“ nicht nur handlung-kommentierend - sie wird maliziös agierend mit nosferatohafter Gestik zum „bösen Geist“ der Verführung. Und: Mit ihrer stimmlichen Power erobert sie einen Platz in der Spitzengruppe der suggestiven Waits-Interpretinnen!
Im kulturell eher konservativen Wiesbaden – es gibt da nicht den sozialen „Strukturwandel“ des Publikums – ist The Black Rider seit Monaten ein Renner. Das verschlüsselte Drogen-Drama nach Webers Freischütz findet vor allem im bildungsbürgerlichen Milieu große Zustimmung: Das Wiesbadener Theater trifft auf die Mentalität seines Publikums.
Franz R. Stuke
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