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Fakten zur Aufführung 

DIE DREIGROSCHENOPER
(Kurt Weill)
27. April 2012
(Premiere am 28. November 2009)

Nationaltheater Weimar

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Brecht in Weimar

Die Zuschauer blicken auf mehrere große Holzflächen der Bühnendekoration, im Mittelgrund der Bühne ein gläserner Fahrstuhl, der als Verbindung von Oberwelt und Unterwelt, als Gefängnis wie auch als Gymnastikgerät für Damen des gelenkigen Gewerbes genutzt  wird. Im Vordergrund, themengebend, der Hai in einer Glasvitrine, vor dem das Ensemble aus dem Untergrund hochfährt. Die fünfköpfige  Band ist im Hintergrund sichtbar plaziert.

Das von Claudia Meyer inszenierte, von Hans-Jörg Brandenburg musikalisch vorbereitete und von Michael Wilhelmi musizierend auf die Bühne gebrachte Stück hat bis heute nichts an Attraktivität und Aktualität verloren. Die nutzt Meyer für ihre Inszenierung, in der sie die Bettler-Bande der Brechtschen Vorlage auf eine zeitgemäße „Russenmafia“ zu trimmen versucht – mit mäßigem Erfolg. Die Kleidungsattribute der Band wie der Macheath-Bande sowie die eingeschobenen russischen Sprach- und Tanzbrocken bleiben vordergründig und können dem ursprünglichen Gangstermilieu wenig anhaben, was nicht zu bedauern ist. Die Kostüme von Nina Lepilina, die Maske von Handrikje Lüttich und die Beleuchtung von Mike Jezirowski unterstützen die Gangsterwelt wirkungsvoll, wobei vor allem die Kostüme der Bande einen zeitgemäßen Ausdruck treffen. Mit Christian Klischat als Chef Peachum und Petra Hartung als seine Frau Celia sind die beiden Grundfiguren darstellerisch und stimmlich bestens besetzt, beide bilden im Getümmel der übrigen Rollen die souveränen, erfahrenen Ruhepole, die kaum noch etwas aus der Bahn werfen kann. Irina Wrona gibt eine häufig überzogene, aber insgesamt doch sehr glaubhafte und witzige Polly, die nur selten die wahren Qualitäten ihrer meist schrill überdrehten Stimme erklingen lässt. Florian Jahrs Macheath changiert wunderbar zwischen einfühlsamem Kavalier und plötzlich hervorbrechendem, brutalen und rücksichtslosen Verbrecher, der diesen Mackie Messer sehr glaubhaft zeigt und ihm eine jederzeit passende, souveräne Stimme verleiht. Auch Christoph Heckel als Konstabler bewegt sich darstellerisch und stimmlich sicher und authentisch in seiner Rolle und repräsentiert einen modernen Typen. Michael Wilhelmi ist gleich in mehreren Aufgaben aktiv. Er kümmert sich, selbst am Klavier, Harmonium und der Celesta, um den flotten Klang der Weillschen Musik und begleitet die bekannten Songs gefühlvoll und mit sicherem Rhythmus. Die kleineren Partien der Macheath-Bande, der Huren, der weiteren Bettler spielen mit Witz und Lust ihre ein wenig verdrehten Rollen.

Die Inszenierung, die Ausstattung der Figuren und die Musik vermitteln die zentrale Botschaft der Welt der Peachums und des Macheath: „Es gibt Wichtigeres als zu überleben.“ Sie bleiben sich selbst und ihrer – selbstgezimmerten – Ethik in einer skurrilen Welt treu und halten den Kopf oben - so lange sie ihn noch haben. Sie bleiben liebenswert unverschämte Fremde, eben verfremdete Typen, die einem doch irgendwie bekannt vorkommen.

Das Publikum freut sich über einen unterhaltsamen, spritzig und witzig gespielten und musizierten Abend, der zwischen Moritat, Kabarett und Varieté changiert und bedankt sich beim ganzen Team, besonders bei Florian Jahr als Macheath Messer für eine gelungene Aufführung mit anhaltendem Beifall.

Horst Dichanz







Fotos: Bernd Uhlig