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Fakten zur Aufführung 

AIDA
(Giuseppe Verdi)
14. Juni 2013
(Premiere)

Arena di Verona


Points of Honor                      

Musik

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Überbordendes Technikspektakel zum Jubiläum

Es hat schon was, wenn zu Beginn der Aufführung im riesigen Areal der Arena di Verona, in der bis zu 16.000 Opernliebhaber Platz haben, die Lichter ausgehen und auf den Steinstufen, den so genannten Gradinaten, in uralter Tradition tausende kleine Kerzen angezündet werden und das römische Amphitheater aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. in magisches Licht tauchen, während die ersten Töne von Giuseppe Verdis Aida aus dem Orchestergraben erklingen.

Doch diesmal ist alles anders. Denn schon vor den Kerzen und vor den ersten Klängen pfeift bereits ein akustisch erzeugter Wüstenwind durch die Arena, und auf der Bühne sieht man Archäologen, die Ausgrabungen durchführen. Denn diesmal, zur Eröffnung des 100-jährigen Bestehens des Festivals hat die Theatertruppe La Fura del Baus Hand an das populäre Meisterwerk Verdis, dessen 200. Geburtstag man ja bekanntlich heuer feiert, gelegt.

Und durch diese Ausgrabungsarbeiten wird offenbar die Vergangenheit erweckt, denn aus den Grabmälern, den Bauwerken erscheinen jetzt all jene Figuren, die wir aus Aida so gut kennen. Allerdings scheinen sie irgendwie aus einer anderen Welt zu kommen. Denn sie sind in extrem futuristische, kaum mehr historisierende Gewänder gesteckt, die Chu Uroz entworfen hat und die alle mit kleinen leuchtenden Lämpchen versehen sind. Die Chormassen wirken mit ihren Kapuzen überhaupt wie Mitglieder einer geheimen Sekte.

Wie man das katalanische Theaterkollektiv auch von anderen Arbeiten kennt, so sorgt es auch diesmal wieder mit einem beeindruckenden Ausstattungs- und Hightechspektakel der Superklasse für Aufsehen: In der Mitte wird auf zwei großen, metallenen Ständern während des Triumphmarsches ein gigantischer Solarspiegel zusammengebaut. Er ist der Form nach dem französischen Solarkraftwerk in Odeillo in Font Romeu in den Pyrenäen nachempfunden und als Metapher auf die Sonne und den ägyptischen Sonnengott gedacht. Gleichzeitig stellt er die Kriegsbeute von Radamès dar, denn die Teile werden in Anspielung auf das Heute aus Kisten mit der Aufschrift „British Museum“ ausgepackt. Die ungleich geschliffenen Spiegel erzeugen immer wieder spektakuläre Lichteffekte. Durch deren Senkung im letzten Akt werden sie zum finalen Grab für Aida und Radamès. Das Bühnenbild stammt von Roland Olbeter.

Damit nicht genug finden sich in der Nilszene Wasser auf der Bühne, ein sich bewegendes Boot und schwimmende Krokodile. Und dann fahren auch noch gigantische, künstliche Elefanten und Kamele mit permanent sich bewegenden Gliedmassen herein, die aussehen wie aus einem Lego-Katalog. Ebenso rauschen kleine wendige, elektrisch betriebene Kampfwagen herum, deren Erscheinen einige Pfiffe provozieren. Auf einem riesigen Kran, der außerhalb der Mauern der Arena situiert ist, wird ein gewaltiger Mond hochgezogen. Und überall marschieren immer wieder Menschenmassen mit brennenden, altägyptischen Symbolen, die auf Stangen getragen werden oder mit kleinen Leuchtkugeln, die Monden ähneln, ein und formieren sich unter vollständiger Inanspruchnahme der Riesenbühne zu ansprechenden Arrangements.

Zweifellos entstehen so, unterstützt durch raffinierte Lichtstimmungen, beeindruckende Bilder. Die Details und die Ideen, die La Fura dels Baus mit Carlus Padrissa und Àlex Ollé entwickelt haben, scheinen grenzenlos zu sein. Nur viele davon sind schwer oder gar nicht erschließbar und wirken sogar völlig beziehungslos zum Stück selbst. Und was völlig auf der Strecke bleibt, ist die eigentliche Personenführung der Protagonisten. Denn diese bewegen sich außer bei ihren Auftritten kaum und stehen meist ideenlos an der Rampe. Auch werden kaum Emotionen erkennbar, geschweige denn zwischenmenschliche zueinander.

Sängerisch kann man am ehesten bei Hui He Gefühle erkennen. Diese vermag der Titelheldin viele feine Töne und empfindsame Piani einzuhauchen. Sie kann aber auch gewaltig mit dramatischer Attacke auftrumpfen und wird vom Publikum zu recht am meisten gefeiert. Fabio Sartori ist zwar ein verlässlicher Radamès, bei dem jeder Ton sitzt, der aber ausdrucksmäßig viel zu eindimensional wirkt. Zudem ist er darstellerisch völlig statisch. Ambrogio Maestri ist ein ungemein präsenter Amonasro, der ebenso wie Arena-Urgestein Giovanna Casolla, für die die Rolle der Amneris zu tief liegt, über die richtige kraftvolle „Arena-Röhre“ verfügt. Adrian Sampetrean bleibt als Ramfis eher unscheinbar und auch stimmlich zu zurückhaltend. Stimmgewaltig hingegen hört man Roberto Tagliavini als König. Carlo Bosi ist ein hörbarer Bote, Elena Rossi eine ideale Priesterin. Kraftvoll hört sich der Chor an, von Armando Tasso einstudiert, der jedoch immer wieder außer Tritt gerät.

Das liegt sicher hauptsächlich an Arena-Neuling Omer Meir Wellber, der mit den enormen Dimensionen der Arena, die jeden Dirigenten vor große Herausforderungen stellt, extreme Schwierigkeiten hat. Trotz überzogener, riesiger Gesten und extrem harter Schläge schafft er es leider sehr oft nicht, Sänger, Chormassen und Orchester zusammen zu halten. Wackelkontakte mit der Bühne und dem Graben sind somit leider an der Tagesordnung.

An der Applausstärke gemessen scheint es dem Publikum trotzdem uneingeschränkt gefallen zu haben. Es gab keinerlei Missfallenskundgebungen zum Finale.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Ennevi