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Fakten zur Aufführung 

DER WILDSCHÜTZ
(Albert Lortzing)
15. März 2014
(Premiere)

Theater Trier


Points of Honor                      

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Witz, komm raus

Regisseur Matthias Kaiser und das Ensemble des Musiktheaters im Theater Trier versuchen sich an der komödiantischen Oper Der Wildschütz von Albert Lortzing. Trotz gut durchdachter Inszenierung und viel Engagement der Beteiligten bleibt allerdings nicht nur der Witz auf der Strecke. Kaisers Wildschütz in Trier hat einige Neuerungen zum Original erfahren. So sind die altbackenen Sprechtexte aus dem Jahr 1842 restlos gestrichen und durch neue ersetzt worden. Kaiser selbst hat hier die Feder geschwungen. Papier ist ja geduldig; was da vielleicht noch gezündet hat, leidet auf der Bühne an fehlender Geschwindigkeit. Die Schlagfertigkeit einer frechen Gegenbemerkung oder einer zweideutigen Anspielung lebt eben von einer schnellen Zunge. Dabei ist die Verlegung in eine „heutige“ Zeit durchaus gelungen: vom Biedermeier Lortzings verschiebt Kaiser die Handlung in ein „Biedermeier“, welches viel näher erscheint: in die gutbürgerlichen, auf der Spitze der Verklemmung angesiedelten 50-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Zwischen Blümchenkleidchen und Eis am Stiel passiert in Schlafzimmern genauso viel, wie zu Biedermeierzeiten des 19. Jahrhunderts. Allerdings auch erst, wenn das Licht aus ist.

Die Idee funktioniert. Die Parallele, die Kaiser hier zieht, ist durchaus sinnvoll und lässt den Wildschütz noch mal in einem ganz anderen Licht erscheinen: Verklemmtheit und Biedermeiertum sind keine Jahrhunderte entfernt, sondern, geschichtlich gesehen, geradezu um die Ecke. Frei nach dem Motto: Außen hui, innen pfui, bewegt sich Graf von Eberbach durch die Betten seiner Bevölkerung. Zumindest gedanklich, tatsächlich passiert nichts. Seine Gattin versinkt währenddessen in Fantasien über die alten Griechen und über den Hausgast, Baron Kronthal, der sich als ihr Bruder entpuppt. War wohl die Stimme der Natur, die da zu ihr gesprochen und ihr Sympathie zugeflüstert hat. Eine feine Gesellschaft hat man da auf der Bühne.

Zum Funktionieren der Idee tragen natürlich die Leistungen der Sänger bei, in ihren 50-er-Jahre-Kleidchen und den deutlichen Anlehnungen an zeitgeschichtliche Vertreter. Wie Heinz Ehrhardt und Hildegard Knef wirken sie wie ein 50-er-Jahre-Paradebeispiel. Besonders schön dabei: Alexander Trauth mit schütterem Haar, Hornbrille und breitem verlegenen Lachen, dazu passend Fat Suit und blauer Anzug, schon hat man einen brauchbaren Heinz-Ehrhardt-Schnitt. Für ein Double reicht es leider nicht, dafür sind die Anlehnungen an die Kunstfigur Ehrhardt noch nicht genug in Fleisch und Blut der Figur Baculus übergegangen. Stimmlich gibt Trauth einen soliden Bass, seine Partitur als Baculus fällt ihm leicht. Schwieriger hat es da sein weiblicher Gegenpart, Evelyn Czesla. Die verschwindet oft hinter dem kräftigen Bass. Alles in allem ist ihr das Gretchen nicht ganz so gelegen, trotz ihres breiten, vollen Soprans geht ihr in den Tiefen einiges verloren. Dasselbe gilt dementsprechend für die Verständlichkeit. In ihrer Rolle verkörpert sie eines der ersten, aus heutiger Sicht zahmen Sexsymbole: Schmollippig, frech, aber flirtig und mit komödiantischen Charme. Eine erste weibliche Emanzipationsbewegung aus der Geschlechterroutine heraus stellen Baronin Freimann, gespielt von Joana Caspar, und ihr Kammermädchen Nanette, Silvie Offenbeck, dar. Auf Motorrad und in Bikerklamottage kommen sie an. Nur legt man auch hier beim Gesang nicht viel Wert auf Verständlichkeit. Caspars Sopran klettert leicht, beweglich und mit viel Puste in die Höhen, klingt dort aber etwas zu ausdrucksstark und wuchtig. Überzeugen können die beiden Nebenbuhler, Graf von Eberbach, alias Amadeu Tasca und Baron Kronthal, Svetislav Stojanovic. Tasca als – wenig – feiner Herr von Welt mit einem vollen, warmen, abwechslungsreichen Bariton, der seine Parts mit viel Ausdruck und Finesse gibt. Stojanovic als verliebter Baron mit klarem, ausdefiniertem Tenor.

Der Chor unter der Leitung von Angela Händel zeigt sich mit viel Spielfreude, die Herren marschieren in Jägerstracht mit Wackeldackel unter dem Arm auf, die Damen schlecken ihr Eis und balgen sich um den Geburtstagstanz mit dem Baron. Stimmlich überzeugend und solide.

Joongbae Jee führt sein Orchester minutiös durch den Abend, präzise und genau, aber mit leichter Hand.

Die Reaktionen des prozentual gesehen eher älteren Publikums sind gediegen. Es wird geklatscht, aber wirkliche Begeisterung scheint nicht aufzukommen. Vereinzelt kann man stärkeren Beifall bei einzelnen Sängern wahrnehmen, aber das ist reine Wahrnehmungssache. Wirklich gezündet hat die gute Idee Kaisers leider nicht. Auch die neuen Texte bleiben auf der Strecke. Es kommt einfach kein rechter Schwung rüber, trotz vieler Einfälle, wie die abendliche Spielszene beim Baron, wo man beim Golfen das „Einlochen“ üben kann.

Eine gute Idee, eine clevere Umsetzung, neue, zeitgemäßere Texte, ein locker aufspielendes Orchester und solide Sänger, aber leider kein überspringender Funke. Der Beigeschmack der Inszenierung bleibt der der 50-er Jahre, leicht und ohne Tiefe zwischen eingespielter Tradition und kleinen, spritzigen Einfällen. Aber leider immer etwas zu leicht und zu traditionell.

Stefanie Braun

 

Fotos: Marco Piecuch