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Fakten zur Aufführung 

DER SCHUH DES MANITU
(Martin Lingnau)
22. Juni 2013
(Premiere)

Freilichtbühne Tecklenburg


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Mächtig Stimmung im Wilden Westen

Sie sind das Rat Pack der Komiker: Michael Bully Herbig, Christian Tramitz und Rick Kavanian, das Team der Bully-Parade, landen 2001 mit der Erfolgskomödie Der Schuh des Manitu, einer liebevollen Satire auf die Karl-May-Filme, einen Volltreffer ins Zwerchfell. Martin Lingau komponiert für 2008 eine Musical-Fassung, Heiko Wohlgemuth schreibt die Liedtexte dazu. Auf der Freilichtbühne im malerischen Tecklenburg findet seit der letzten Aufführung in Berlin im Jahr 2010 nun die überhaupt zweite Vorstellungsreihe des Musicals statt und erlebt eine triumphale Premiere. Neben der recht schwungvollen, abwechslungsreichen Musik ist das Buch ein Erfolgsgarant: John von Düffel hält sich überwiegend an die Kult-Dialoge aus dem Film und so folgt man lachend der bekannten Handlung: Häuptling Abahachi will ein Stammlokal kaufen und leiht sich dafür von den Schoschonen Gold. Der skrupellose Immobilienhändler Santa Maria verkauft ihm aber nicht nur eine umfallende Kulisse, sondern erschießt auch den Boten der Schoschonen, stiehlt das Gold und schiebt beides Abahachi und seinem Blutsbruder Ranger in die Schuhe. Die Schoschonen graben mangels eines Kriegsbeils den Klappstuhl aus, und verfolgen die beiden Helden, die hoffen, den Häuptling mit einem sagenhaften Schatz zu besänftigen. Die Stücke der Schatzkarte sind aufgeteilt. Eines hat der wortverdrehende Grieche Dimitri, ein anderes die Barsängerin Uschi. Der dritte Teil befindet sich in den Händen von Abahachis Zwillingsbruder Winnetouch, der sich auf seine Beauty-Farm Puder-Rosa-Ranch zurückgezogen hat.

Die Freilichtbühne ist mit den Überresten der Burg Tecklenburg eine überaus reizvolle, aber bühnentechnisch nicht ganz unproblematische Spielstätte. Susanna Buller setzt für den schnellen Ortswechsel der Handlung auf mobile Requisiten und rollbare Klein-Kulissen. Links am Rand ist die Puder-Rosa-Ranch stationiert. Mittig wird eine Kulisse mit wechselnden Prospekten genutzt, um zwischen Saloon, Prärie und dem finalen Berg, dem Schuh des Manitu zu wechseln. Hier stößt das Bühnenbild doch etwas an seine Grenzen. Trotzdem ist es unterm Strich ebenso gelungen wie die herrlichen Kostüme von Karin Alberti. Die reichen von einem pinkfarbenen Lendenschurz für Winnetouch über wirbelnde Röcke der Bardamen bis zu den typisch-schwarzen Mänteln für die Bösen. Ulrich Wiggers setzt auf eine temporeiche Regie, die den Schauspielern nicht selten sportliche Einlagen abverlangen. Zur Lorenfahrt durch den Berg lässt er die Abahachi und Co. einfach in einer Lore links bergauf und rechts bergab durch den groß-dimensionierten Zuschauerraum rennen. Mit den pointierten Dialogen entsteht so ein absolut kurzweiliger, herrlich komischer Musical-Abend. Aber auch für Abwechslung ist gesorgt: Romantische Wild-West-Stimmung entsteht unterm Wunderkerzen-Sternen-Himmel.

Der richtige Himmel über Tecklenburg indes zeigt sich im tristen Grau nicht sehr premierenfreundlich und sorgt für natürliche Regeneffekte. Der Großteil des Publikums sitzt in Tecklenburg überdacht. Nass werden nur die freien Reihen-Ränder – und das im Freien spielende Ensemble. Das setzt sich in Tecklenburg aus Profis und Laien zusammen und trotzt mit guter Laune und hochmotivierter Spielfreude Wind und Regen. Die Choreographie von Kati Heidebrecht macht mächtig Stimmung, Alexander Bellinkx verbreitet mit seinen Kampfszenen Western-Feeling. Die vier Hauptdarsteller imitieren nicht die großen Komiker-Vorlagen, sondern orientieren sich an deren Charme, den sie versprühen müssen. So ist mit Alexander Klaws ein sympathisch motzender Ranger aufgeboten, der sich über die Gesamtsituation beschwert. Einen kleinen Seitenhieb auf frühere Rollen muss er von Abahachi einstecken, der ihn einen „Tarzan für Arme“ nennt. Werner Bauer spielt den Häuptling mit flapsiger Körpersprache und frechem Mundwerk. Seinen tuntigen Zwillingsbruder Winnetouch verkörpert André Haedicke mit großer Gestik und Mimik, die bis in die letzte Reihe reicht. Am witzigen Thomas Hohler ist es, den Ohrwurm des Abends einzuleiten: Ich trinke Ouzo und was tust du so? ist ein beschwingter Schenkelklopfer im Sirtaki-Stil. Femke Soetenga bleibt als Barsängerin Uschi eher unauffällig. Enttäuschend ist nur Reinhard Bussmann, der den Santa Maria gekünstelt böse aus dem Keller seiner Stimmbänder zieht. Dafür fallen im Ensemble andere positiv auf: Etwa Eric Minsk als Listiger Lurch mit fiesem Schoschonen-Dialekt. Auch Julian Looman, der als böser Hombre bei Winnetouch seine weiche und nette Seite entdeckt. Und Kristian Gajaszek, der als junger Karl May die Szene begleitet und beobachtet.

Spielfreude und stimmliche Power kommt vom Chor der Freilichtspiele. Ralf Junghöfer hat ihn sicher vorbereitet. Die musikalische Leitung liegt bei Klaus Hillebrecht, der das Orchester zwischen begleitender Filmmusik und swingendem Muntermacher austariert. Er und die Musiker wissen genau, wie man rhythmisch mächtig Stimmung machen kann. Knapp zwei Minuten dauert es, bis das Publikum klatschend mit einstimmt, wenn die Indianer beschreiben, wo die Schoschonen schön wohnen. Die gute Soundanlage der Festspiele ist hörbar nicht auf ohrenbetäubenden Lärm getrimmt, sondern auf die angenehme Wiedergabe von Musik und Text. Lediglich in den hinteren Reihen lässt die Verständlichkeit des Textes etwas nach.

Das Publikum sitzt zwar etwas unbequem und eingepfercht auf den in die Holzbänke einmarkierten Plätzen. Doch die Aufführung lässt alle Unannehmlichkeiten vergessen. Die Fans des Films wissen um jeden Satz. Der Superperforator-Song wird schon im Vorfeld bejubelt, so dass die ersten Töne glatt untergehen. Vor der Show übertreibt ein Zuschauer die saloppe Theaterstimmung und schießt einen Sektkorken im hohen Bogen auf die Bühne. Am Ende wird wieder gefeiert – und zwar mit prompten standing ovations nach dem letzten Ton. Auch wenn Intendant Radulf Beuleke mit der finanziellen Situation der Festspiele unzufrieden ist, wie er im Vorwort des Programmheftes sagt: Mit dieser Stückauswahl schreibt er sicher Geschichte.

Christoph Broermann







Fotos: Ulrich Niedenzu