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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
22. April 2012
(Premiere am 20. Januar 2012)

Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin

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Lust versus Liebe - ein Gesellschaftskonflikt

Tannhäuser steht in einem immerwährenden gesellschaftlichen Konflikt seiner Zeit. Die reine, keusche Liebe, im Minnesang gepriesen, gegen die lustvollen Ausschweifungen im Venusberg. Hier Elisabeth, dort Venus. Hier Tannhäuser, dort Wolfram und seine Genossen. Der zentrale Konflikt dieser Oper Richard Wagners ist auch die große Herausforderung an jeden Regisseur und sein Team. In Schwerin wird die Dresdener Fassung gespielt, also ohne Bacchanal im ersten Aufzug. Und das ist vielleicht ein Manko dieser Inszenierung. Der Konflikt wird nur angedeutet. Schon während der Ouvertüre öffnet sich der Vorhang, seltsame Figuren bewegen sich im Hintergrund. Tannhäuser ängstigen seine Träume, seine Phantasien. Der Venusberg wird durch einen drallen, die Bühne bedeckenden halbnackten Frauentorso symbolisiert, junge attraktive Menschen aus unserer Zeit beobachten neugierig das Treiben zwischen Venus und Tannhäuser. Venus ist attraktiv, aber keine klassische Verführerin. Tannhäuser entzieht sich ihrem Reiz, doch sein Leiden, den Venusberg zu verlassen, kommt nicht wirklich rüber. Ähnlich verhält es sich im Wiedersehen mit Landgraf Hermann und seinen Mannen. Sie sind eher mittelalterlich gewandet, der Regisseur spielt somit bewusst mit den Zeiten, wohl um den zeitlosen Konflikt aufzuzeigen. Doch auch hier ist eine Distanz spürbar, die Vorfreude auf das Wiedersehen Tannhäusers mit Elisabeth hält sich eher in Grenzen.

Die Halle im zweiten Aufzug hat den ästhetischen Charme eines Sitzungssaales eines lokalen SED-Komitees. Dazu passend die sozialistischen Einheitskleider der Gäste. Elisabeth dagegen im strahlenden, unschuldigen Weiß, hin- und hergerissen zwischen den liebpreisenden Worten der Minnesänger und der allzu deutlichen Sprache Tannhäusers. Hier, im Sängerkrieg auf Wartburg, gewinnt die Inszenierung an Spannung und Dynamik, der Konflikt ist nun offenkundig ausgebrochen.

Im dritten Aufzug kommt ein erneuter Wandel. Zwei kahle große Baumstämme, die übereinander liegen, sowie ein dunkler Hintergrund mit angedeutetem Sternenhimmel geben eine Ahnung davon, warum dieses Werk auch als Große romantische Oper bezeichnet wird. Das Gebet der Elisabeth, der Pilgerchor, Wolframs Lied an den Abendstern und die große Romerzählung Tannhäusers: Sie werden in diesem Rahmen zum Höhepunkt des Abends. Das Schlussbild, mit Lorbeerkranz und dem erblühten Bischofsstab in der Hand Elisabeths wirken dann schon fast kitschig.

Regisseur Arturo Gama und Bühnenbildner und Ausstatter Mathias Rümmler haben sicher eine solide und ansehnliche Inszenierung auf den Weg gebracht, die nicht am Werk vorbeigeht, den tiefen gesellschaftlichen Konflikt aber nur ansatzweise anspricht und deshalb leider an der Oberfläche bleibt.

Musikalisch dagegen ist dieser Tannhäuser ein Erlebnis. GMD Matthias Foremny leitet die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin mit großer Intensität. Schon im Vorspiel kommt der wunderbare, differenzierte und farbenreiche Klangkörper zur Geltung. Das Tempo ist moderat, und die Sänger werden von Foremny durch die vielen Klippen der Partitur getragen. Der Opernchor ist von Ulrich Barthel formidabel einstudiert. Insbesondere die beiden Pilgerchöre und der Schluss werden mit tiefer Leidenschaft und großem Pathos gesungen.

Heiko Börner singt den Tannhäuser. Sein baritonal gefärbter Tenor ist kraftvoll in der Mittellage und stark in den Höhen und in den dramatischen Ausbrüchen. Mit großer Ausdauer bewältigt er diese Partie, seine Romerzählung ist von erschütternder Intensität. Fast sind die körperlichen Qualen seiner Pilgerfahrt zu spüren. Kelly Cae Hogan brilliert als Elisabeth mit schönem, reifem Timbre und einer glasklaren Höhe. Ist ihre Hallenarie noch eher dramatisch angelegt, so besticht ihr Gebet im dritten Aufzug durch innige Beseeltheit und ein wunderbares Piano. Markus Vollberg ist ein Wolfram, wie man ihn sich nur wünschen kann. Sein weicher, reiner Bariton schmeichelt, und Vollberg legt seinen Wolfram ganz lyrisch an. Im Sängerkrieg der stimmliche Kontrapunkt zu Tannhäusers rauer Dramatik, ist sein Lied an den Abendstern im dritten Aufzug einer der sängerischen Glanzpunkte dieser Aufführung.

Stephanie Weiss singt die Venus mit warmem Mezzo und klug eingesetzten dramatischen Höhen. Andreas Mitschke gibt den Hermann mit markantem Bass-Bariton. Aufhorchen lässt Musa Nkuna, der mit schönem lyrischem Tenor den Walther von der Vogelweide darstellt. Frank Blees gibt mit schwarzem Bass einen markigen Biterolf, und Katrin Hübner singt die Solostelle des Hirten mit glockenhellem, reinem Sopran. Lars G. Neumann als Heinrich der Schreiber und Andreas Lettowsky als Reinmar von Zweter fügen sich harmonisch in das Gesamtensemble ein.

Am Schluss ist sich das Publikum weitgehend einig. Großer Jubel für das Ensemble, insbesondere für den Chor, Orchester und seinen GMD sowie für die Hauptdarsteller. Ein musikalisch und gesanglich überzeugender Tannhäuser, der dem Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin bei all seinen Schwierigkeiten Mut machen sollte.

Andreas H. Hölscher





Fotos: Silke Winkler