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Fakten zur Aufführung 

ROSAMUNDE
(Anton Schweitzer)
22. Mai 2012
(Premiere am 20. Mai 2012)

Schwetzinger Festspiele

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Knutschen mit Knut

Mit Ausgrabungen ist es so eine Sache, denn der Sturm der Musikgeschichte, angefacht durch die Rezipienten, fegt über manches Werk hinweg. So bleibt vom ausgehenden 18. Jahrhundert operngeschichtlich kaum mehr übrig als Mozart. Wer kennt den Namen Anton Schweitzer? Mozart hat sich über seinen  Zeitgenossen ein wenig herablassend als „guter, braver, ehrlicher Mann“ geäußert, als er ihn anlässlich der Proben zur Oper Rosamunde in der Kurpfalz kennengelernt hat. Jetzt graben die Schwetzinger Festspiele das interessante, deutsche Singspiel nach dem Libretto von Christoph Martin Wieland aus, dem übrigens die Amerikaner den Grundentwurf zu ihren Freiheitsrechten verdanken. Höre und siehe da, es lohnt sich.

Denn die Musik dieses Herrn Schweitzer ist unkonventionell gearbeitet, wenn sie die üblichen Schemata immer wieder aufbricht und zu überraschenden, auch harten Wendungen ansetzt. Denn sie folgt der Psychologie der Figuren, will deren seelische Regungen gewissermaßen eins zu eins umsetzen. Das ist damals neu und hebt sich deutlich ab von der Linearität, die Ritter Gluck mit seiner Reformoper entwickelt hat. Auch das Wieland-Libretto hat es in sich, weil sich der Dichter aufs Wesentliche konzentriert und komplexe Seitenstränge weglässt. Was dann bleibt? Ein Mann zwischen zwei Frauen. Ein naives Mädchen, dessen unschuldiges Herz entflammt, und eine erfahrene, zutiefst verletzte Frau, deren Wut nicht mehr zu bremsen ist.

Worum geht es? Hinter einer blauen Türwand – von Frank Hänig stammt das klare, überwiegend in Blau gehaltene Bühnenbild  - hat sich König „Heinrich II. von Plantagenet“ seinen Privat-Serail eingerichtet. Seiner lieben Gattin Elinor von Aquitanien, die immerhin Ländereien, Vermögen und attraktives Aussehen mit ins Ehebett gebracht hat, schwant Böses. Na ja, es kommt, wie es kommen muss, die Sache wird entdeckt, wenn Elinor beherzt mit der Axt die Tür einschlägt. Dahinter liegt die mädchenhafte Rosamunde im Bett, knutscht mit Eisbär-Teddy-Knut und blättert im Pony-Kalender, um zu erfahren, wie lange denn der König ihrer Träume noch wegbleiben wird, um irgendwelche Länder zu erobern. Er kommt zurück, erhebt jene Rosamunde zur Königin, doch Elinor meuchelt sie rasend in ihrem Zorn während der Hochzeit.

Der König schaut ziemlich dümmlich zu. Das scheint der Plan von Regisseur Jens-Daniel Herzog, früher Schauspieldirektor in Mannheim, jetzt Operndirektor in Dortmund. Denn er zeigt die Figuren in ihrer Unentschlossenheit, Fehlbarkeit, Unsicherheit und freiwillig-unfreiwilligem Zweifel, wobei er viele Feinheiten des Ausdrucks für sich sprechen lässt. Einzig Elinor hat einen Plan. Alle anderen dümpeln in ihrer Gefühligkeit dahin, denn eigentlich wissen sie nicht, was sie tun sollen.

Gesungen wird sehr gut. Da ist die aus Heidelberg stammende Eleonore Marguerre, die voll jungmädchenhafter Anmut zarte Lyrismen und sehnsüchtigen Schmelz in ihren Sopran legt. Gegenspielerin Elinor wird von Sarah Wegener, die letztes Jahr hier in Bluthaus von Georg Friedrich Haas triumphierte, in furioser Brillanz gesungen, allenfalls in den unteren Lagen etwas erblassend. Christoph Genz modelliert seinen Tenor als Heinrich II. weich aus, ist allerdings am Abend der Zweitpremiere durch eine Erkältung nasal gehandicapt. Komödiantisch und baritonal charakterfest agiert Morgan Moody als Belmont, der Intrigen durchkreuzt und in seinen Loyalitäten hin- und hergerissen wird. In kleineren Partien überzeugen Julia Amos, Anke Briegel und Johann-Werner Prein.

Ein Fragezeichen bleibt bei der musikalischen Umsetzung durch das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Jan Willem de Vriend. Es soll mit Biss musiziert werden, erschöpft sich aber schnell in uniform gestalteten Affekten. Auch der Philharmonische Chor Klausenburg überzeugt mehr durch die munteren Kostüme von Sibylle Gädeke als durch Präzision und Nuancierung. 

Der Zuspruch des Publikums entspricht nicht ganz den Erwartungen an ein Festival. Die Komposition von Schweitzer und die Regie von Herzog allerdings sind des Genießens wert.

Eckhard Britsch





Fotos: Monika Rittershaus