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Fakten zur Aufführung 

POLIFEMO
(Nicola Porpora)
7. Dezember 2012
(Premiere)

Theater Heidelberg,
Rokokotheater Schloss Schwetzingen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Wenn Penelope nicht wäre

Wer ausgräbt der findet, so mögen die Archäologen ihr Berufsbild definieren. Bei den Barockspezialisten geht es ähnlich zu: Sie durchforsten an allen europäischen Höfen und Musikbibliotheken, und sie werden fündig. Jetzt legt das Theater Heidelberg, beim Festival Winter in Schwetzingen, eine Oper des Neapolitaners Nicola Porpora vor, der in London als Opernunternehmer und -komponist der große Konkurrent von Händel war. Ganz modern hatten sie Aktiengesellschaften gegründet, um ihre Theater zu finanzieren, und – ebenfalls nicht unüblich – beide mussten Bankrott anmelden. Warum wohl? Na, die Sängergagen fraßen die Einnahmen auf. Heute ist das zumindest an einem baden-württembergischen Stadttheater anders. Das kann kaum pleite gehen, zumal die Sänger oft weniger verdienen als ein fest angestellter Instrumentalist.

Nicola Porpora war der Gesangslehrer von Farinelli, und so erwartet den Hörer mit der Oper Polifemo als deutsche Erstaufführung ein arioses Fest einschließlich halsbrecherischer Koloraturen. Doch im musikdramaturgischen Aufbau erreicht Porpora nicht die Qualität etwa von Vivaldi oder Scarlatti, die auch schon beim Winter in Schwetzingen vertreten waren. Kurzum: Seine Musik scheint letztlich doch etwas schematisch auf die Effekte der „Gurgeln“ zugeschnitten.

Die Story selbst ist nett, denn der böse Unhold und Menschenmörder Polifemo hält auf einer einsamen Insel namens Sizilien die Göttinnen Galatea und Calipso gefangen; erstere verknallt sich in den Hirtenbuben Acis, der mit dem Brotbeutel durch die Szene irrt und die Schöne anbetet. Calipso hingegen schwärmt für Ulisse, der auf seinen Irrfahrten ebenfalls angelandet ist. Er, mit Rucksack und Fernrohr ausgerüstet, zögert ein bisschen in Sachen Fremdgehen, denn seine Penelope wartet doch schon seit Jahren auf ihn. Das haben ihm die Götter geflüstert. Nerea wird ihm den Weg zurück weisen wollen und hilft dabei, das Monster Polifemo zu blenden.

Das Barockspektakel wird von Regisseurin Clara Kalus locker als entspanntes Singspiel angerichtet. Charmant gehen die Figuren aufeinander zu; im Bühnenbild von Sebastian Hannack mit den sich einengenden Stellwänden – Aha: Gefangenschaft! – schweben Schäfchenwolken von oben, Felsbrocken schließen oder öffnen die Unterwelt, und Hannacks Kostüme zeigen die Frauen in Eleganz und Schönheit.

Gesungen wird recht ansprechend. Die Titelfigur hat etwas weniger zu tun, doch Haris Andrianos gibt dem Polifemo mit schlankem, aber ausdrucksstarkem Bariton ein gutes Profil. Rinnat Moriah hat eine feine „Waldvogel“-Stimme, ihr Sopran leuchtet hell und beweglich. Klar, da muss Acis vor Bewunderung dahin schmelzen, den Terry Wey mit leicht geführtem, koloraturfreudigem Counter als naiven Jüngling darstellt. Wärmer timbriert ist die Counterstimme von Jakob Huppmann, und er bewegt den Ulisse als attraktives Mannsbild in Richtung Calipso, die über den überzeugend geführten Mezzo von Tijana Grujic starke Bühnenpräsenz erhält. Wie Rapunzel darf sie mit langem Zopf sogar Ulisse retten, der sichtlich von Helfern umschwärmt ist, denn auch Irina Simmes steht ihm mit zugespitzten Höhen als Nerea zur Seite.

Eher enttäuschend klingen die Heidelberger Philharmoniker, die in den letzten Jahren beim Barockfestival sehr wohl ihre Befähigung für historisch informierte Spielweise dargelegt haben. Beim Porpora-Abend unter Leitung des immerhin schon mit einem Echo-Klassik-Preis ausgezeichneten Wolfgang Katschner wirken Klang und Affekte eher brav und eingeebnet.

Das Premierenpublikum ist sehr angetan vom Polifemo im zauberhaften Rokokotheater Schloss Schwetzingen.

Eckhard Britsch





Fotos: Florian Merdes